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Feuerscherben

Feuerscherben

Titel: Feuerscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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beobachtete, und ihre Wangen wurden glühend rot.
    »Das Medaillon hat Claire gehört«, sagte sie mit unnatürlich belegter Stimme. Weshalb blieben ihr die Lügen, die sie seit Jahren erzählte, plötzlich fast im Hals stecken? »Sie schenkte es mir zum Geburtstag.«
    Ben nickte nur. »Es dürfte nicht schwierig sein, den Verschluss reparieren zu lassen«, erklärte er. »Allerdings solltest du vielleicht eine etwas kräftigere Kette dafür besorgen.«
    »Ja, das stimmt. Die Kette ist zu zart für das schwere Medaillon. Ich werde sie durch eine andere ersetzen. Es täte mir furchtbar leid, wenn ich Claires letztes Geschenk verlieren würde.« Das klang schon besser, dachte Dianna erleichtert. Wesentlich fließender und überzeugender.
    Leider schien Ben nicht der gleichen Meinung zu sein. Ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, zog er ein kleines silbernes Etui aus der Innentasche seines Jacketts. Er nahm eine Visitenkarte heraus und schrieb etwas auf die Rückseite. »Hier, nimm das«, sagte er. »Das ist die Nummer meines Auftragsdienstes. Er ist rund um die Uhr zu erreichen und weiß immer, wo ich zu finden bin.«
    »Auch jetzt?«
    »Na ja, fast immer«, verbesserte er sich, und eine feine Röte überzog seine Wangen.
    Dianna fasste die Karte mit den Fingerspitzen und steckte sie in ihre Brusttasche. »Danke. Aber ich bin sicher, dass ich sie nicht brauchen werde.« Sie lächelte wieder. Die Aussicht, dass der katastrophale Abend bald vorüber war, stärkte ihr Selbstbewusstsein erheblich. »Wir haben doch keinen Grund, in Verbindung zu bleiben, oder?«
    Ben blieb einen Moment an ihrer Haustür stehen. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich warte auf eine Nachricht von dir.«
    Dianna antwortete nicht. Sie schloss die Tür fest hinter ihm zu, schob den Riegel vor und hängte die Sicherheitskette ein. Dann lehnte sie sich an die schwere Stahltür und atmete erleichtert auf, Sie würde sich keine Gedanken darüber machen, was Ben mit seiner letzten Bemerkung gemeint hatte. Nachdem Hal ihr Werk eines ganzen Monats vernichtet hatte, blieben ihr genügend andere Probleme, die sie von Ben ablenkten. Wenn sie die Ersatzstücke zu den ausgemachten Lieferterminen fertig haben wollte, standen ihr einige lange Arbeitstage bevor. Eine Schale war für den Speisesaal eines Hotels bestimmt. Von dem Preis, den sie dafür bekommen würde, konnte sie eine ganze Monatsmiete bezahlen.
    Sie schob eine CD mit Ouvertüren von Richard Wagner in den Player und drehte den Lautsprecher weit auf, damit die feierlichen Klänge ihre anderen Gedanken aussperrten. Wagners Musik eignete sich ausgezeichnet für die Hausarbeit, hatte sie festgestellt. Sie summte die Melodien mit und wollte die restlichen Glasscherben gerade von der Schaufel in den Mülleimer schütten, da stutzte sie plötzlich.
    Die Tücher! Mit trockenem Mund und pochendem Herzen stellte Dianna die Kehrschaufel in das Spülbecken und eilte zu ihrer Werkbank zurück. Ein Blick auf die saubere Arbeitsplatte genügte, um festzustellen, dass die blutigen Papiertücher, die sie um ihren verletzten Finger gewickelt hatte, nicht mehr da waren.
    Im Mülleimer, dachte sie. Ich habe sie in den Mülleimer geworfen, ohne zu merken, was ich tat.
    Sie riss die Schranktür unter dem Spülbecken auf und durchstöberte den Plastikbeutel. Von den Tüchern war nichts zu sehen, obwohl sie zwischen dem Kaffeesatz und den leeren Joghurtbechern leicht zu erkennen sein mussten. Dianna zwang sich zur Ruhe. Sie breitete eine Zeitung auf dem Boden aus und schüttete den Abfall in einer dünnen Schicht auf das Papier. Sie entdeckte zwei zerknüllte Papiertücher, aber kein einziges Kosmetiktuch. Nicht einmal das, mit dem Ben ihren Schnitt abgetupft hatte, bevor er das Desinfektionsmittel auftrug.
    Bleib ruhig, forderte Dianna sich auf. Nur keine Panik. Sie wickelte den Abfall in die Zeitung und tat ihn in den Eimer zurück. Dann zog sie ihre ledernen Arbeitshandschuhe an, nahm einen Eimer und kehrte in die Ecke des Ateliers zurück, wo ihre große Mülltonne mit dem zerbrochenen Glas stand. Sorgfältig holte sie die Scherben wieder heraus und warf sie in den Eimer. Zehn Minuten später hatte sie die Bestätigung für ihre Befürchtungen. Kein einziges blutiges Tuch lag in der Tonne. Die Tücher waren verschwunden, und das konnte nur eines bedeuten: Ben hatte sie mitgenommen.
    Auf Wagners »Lohengrin« folgte die Ouvertüre zur »Walküre«. Die Trommeln dröhnten und das Becken donnerte, doch Dianna hörte

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