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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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ihre jüngere Schwester Bébête hatten sich als talentierte Ausstatterinnen erwiesen und Lucians Palast – zumindest oberflächlich betrachtet – in einen lichten, geradezu freundlichen Ort verwandelt. Natürlich war nicht jeder in seinem Haushalt begeistert von diesen Veränderungen. Einige Bedienstete hatte er auf ihren Wunsch hin an andere Herren Gehennas verkauft. Sogar der Lichtbringer hatte einen guten Preis bezahlt. Lucians Personal galt als bestens ausgebildet und war begehrt. Ein halbes Dutzend war gegangen, selbstverständlich keine Geheimnisträger. Einzig dem Haushofmeister gestand er ein gewisses Mitspracherecht zu, und der hatte darauf gedrängt, dass der Gerichtssaal unangetastet blieb, der irgendwann im Mittelalter oder während der Renaissance – er konnte sich nicht mehr so genau erinnern – das letzte Mal neu eingerichtet worden war.
    Und so saß er nun auf einem venezianischen Scherenstuhl, der seinerseits auf einem Granitpodest thronte. An seiner Seite zwei Dunkle Engel mit geöffneten Schwingen, die ihm seit Anbeginn der Zeit treu ergeben waren. Dahinter die zuverlässigste Sekretärin, die sich ein Herrscher mit einer vergleichbaren Verantwortung, wie er sie trug, wünschen konnte, und direkt daneben ihre Gefährtin. Eine Dämonin erster Ordnung, die ihr Erbe zugunsten eines Lebens in Freiheit und mit ihrer großen Liebe aufgegeben hatte. Lucian war der einzige Höllenfürst, der eine solche Verbindung nicht nur tolerierte, sondern sogar förderte. Was ihm gleichermaßen Kritik und Bewunderung einbrachte.
    Einst hatte das Schattenreich allein den Dämonen gehört, doch irgendwann waren einige von ihnen zu machthungrig geworden. Sie versuchten, Menschen und selbst magische Wesen zu versklaven. Dabei hatten sie in der Anderswelt ein schreckliches Massaker unter den Feen angerichtet. Eine Gruppe von Engeln, die seit Längerem mehr Freiheit auch in Elysium gefordert hatte, erklärte sich schließlich bereit, das sensible Gleichgewicht zwischen den Welten wiederherzustellen. Seither regierte Luzifer die Unterwelt mit eiserner Hand.
    Obwohl sich die meisten Dämonen im Laufe der Zeit mit der Situation arrangiert hatten, bemühten sich andere, seine strikten Regeln zu unterlaufen, wo es nur ging. Eine der Ursachen für ihre Expansionslust war darin zu finden, dass nur noch wenige in der Lage waren, Nachkommen zu zeugen. Um diese alte Nation aber nicht aussterben zu lassen, gestattete man ihnen, Menschen zu rekrutieren. Allerdings nur diejenigen, die bereit waren, ihre Seelen zugunsten einer solchen Karriere für immer aufzugeben. Und so waren es nicht die edelsten Charaktere, die ihren Weg ins Schattenreich fanden.
    Als sich in den zahllosen Aufständen die Reihen ihrer Wächter ebenfalls zu lichten begannen, versuchten diese zuerst vergeblich, weitere himmlische Bewohner für ihre Arbeit zu interessieren. Doch Michael, der mächtige Erzengel, hatte das Seinige dazu getan, die Dunklen Engel in Verruf zu bringen. Erst unter den Gefallenen, also den Engeln, die Elysium verlassen mussten, weil sie gegen eines der vielen Gesetze dort verstoßen hatten, wurde Luzifer fündig. Inzwischen war das Gleichgewicht wiederhergestellt, selbst wenn sich beileibe nicht jeder für eine Karriere als Dämonenwächter entschied.
    Lucian war einer der wenigen Bewohner Gehennas, der seine Herkunft niemals vergessen hatte. Dass er nun ausgerechnet an einem Engel ein Exempel statuieren musste, mochte politisch die richtige Entscheidung sein, es tat ihm dennoch in der Seele weh. Eine Seele, die er entgegen anderslautenden Gerüchten ebenso besaß wie Einfühlungsvermögen, oder einfacher ausgedrückt: Luzifers rechte Hand hatte ein gelegentlich sogar mitfühlendes Herz.
    Vor ihm standen die sechzig Generäle seiner Legionen, Lilith als Vertreterin der Sukkubi und Inkubi, das gesamte Management der Todesengel und etwa einhundert Portalwächter. Einziger Grund dieser Zusammenkunft war die Verurteilung und Hinrichtung eines jungen Wächters, der Bestechungsgelder angenommen und einer Reihe von nicht legitimierten Dämonen das Verlassen der Unterwelt gestattet hatte.
    Normalerweise überließ Lucian die Gerichtsbarkeit Dunklen Engeln seines Vertrauens und zeichnete die Urteile nach genauer Prüfung nur ab. In einem so riesigen Regierungsbezirk wie dem seinen konnte er sich unmöglich selbst um jeden unbedeutenden Seelendieb kümmern.
    Ein Geheimnis seiner Macht war die zeitnahe Bestrafung. Wer sofort die Konsequenzen seines

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