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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Tuns erlebte, überlegte sich, ob er noch einmal gegen die Regeln verstoßen wollte. Gestern war der Wächter erwischt worden, heute würde man ihn hinrichten.
    Lucian konnte durchaus Gnade walten lassen – den Übeltätern eine zweite Chance zugestehen . Auf diese Weise hatte er einige seiner treuesten Gefolgsleute gewonnen, und seine Untergebenen hatten die Anweisung, bei kleineren Vergehen in seinem Sinne zu verfahren oder Rücksprache zu halten. In diesem Fall allerdings hielt er es für angebracht, hart durchzugreifen. Und deshalb waren sogar Berichterstatter zugelassen, die diese Verhandlung nicht nur aufmerksam beobachten, sondern das Ergebnis auch in die Welt hinaustragen würden.
    Ein Signal ertönte, der Delinquent wurde vorgeführt, und man sah ihm an, dass die Befragung nicht zimperlich gewesen sein konnte. Beifälliges Gemurmel war zu hören, und die Korrespondenten kritzelten eifrig in ihre Blöcke. Moderne Technik funktionierte hier nicht oder nur höchst unzuverlässig.
    Geschmeidig erhob sich Lucian und ging langsam die Stufen hinunter, bis er vor dem Angeklagten stand. Schlagartig war es im Saal so still, dass man es vermutlich gehört hätte, wäre eine Feder zu Boden geschwebt.
    Jeder seiner nun folgenden Schritte war Teil einer wohlbedachten Inszenierung. »Weißt du, welcher Tat man dich beschuldigt, Marius?«
    »Ich habe nichts Unrechtes getan!«
    Lucian schlug ohne Umstände zu. Das laute Knacken im Genick des Beklagten hallte noch durch den Raum, während er dem Engel bereits unters Kinn fasste und dessen Kopf exakt so lange aufrecht hielt, bis der Bruch dank seiner Magie verheilt war. Den Schmerz jedoch ließ er ihm.
    »Vergiss nicht, mit wem du sprichst! Sag mir, warum bist du angeklagt?«
    »Mein Fürst, ich weiß es nicht.«
    Man musste nicht seine Gedanken lesen können, um zu wissen, dass er log. Doch bei der kurzen Berührung hatte Lucian etwas gespürt, das seinen Wächtern offensichtlich entgangen war, sonst hätten sie ihn informiert. Den Engel umgab eine alte, längst vergessen geglaubte magische Kraft. Es gab nicht mehr viele Dämonen, die sie anzuwenden wussten.
    Lucians ursprünglicher Plan war damit hinfällig. Eine Strafe musste er erhalten, aber ihn hinzurichten, könnte ein Fehler sein. Jeder Zauber konnte entschlüsselt werden, und genau dies hatte Lucian im Sinn, als er Quaid ein Zeichen gab.
    Sein Assistent hob den Kopf, vermied es aber, ihn direkt anzusehen. Es hatte Zeiten gegeben, da war er weniger vorsichtig gewesen. Doch er hatte erfahren müssen, dass es Furchtbareres gab, als für den Marquis zu arbeiten, der, wiewohl unnachsichtig und eiskalt, doch als jemand galt, der zu seinem einmal gegebenen Wort stand. Nachdem Quaid seine Lektion, und dazu noch einiges andere, gelernt hatte, war er kürzlich zum Viscount ernannt worden und kontrollierte seither einen Großteil der regulären europäischen Portale. Bisher machte er seine Sache gut. Wirklich wichtig war jedoch, dass er sich wie kein Zweiter unter den Engeln mit Dämonenmagie auskannte.
    Bring mir jetzt die Seelen und bleib in Marius’ Nähe.
    »Mein Fürst«, sagte er und fügte in Gedanken hinzu: wie Ihr wünscht.
    Wenig später brachte er einige Gefäße, die verdächtig nach Einmachgläsern aussahen, und stellte sie auf einen dafür vorbereiteten Tisch. Jeder konnte sehen, wie die Schatten darin aufgeregt hin- und herflatterten. Es war eine hübsche Sammlung in den Farben des Regenbogens, für die fast alle hier im Raum Anwesenden ein kleines Vermögen geboten hätten.
    Unauffällig zog Quaid sich danach zurück. Er übernahm heute ausnahmsweise die Aufgabe eines anderen Wächters, der Lucian normalerweise bei Gericht assistierte. Derzeit jedoch war dieser mit einem Spezialteam unterwegs, das die Portale im Nordwesten der USA kontrollierte, um die flüchtigen Dämonen wieder einzusammeln. Ausgerechnet Chicago, wo ohnehin eine hohe Konzentration magischer Energien herrschte und die Übergänge in die Welt der Sterblichen aus bisher unerfindlichen Gründen besonders instabil waren.
    »Kommt dir das bekannt vor?« Lucians Ton blieb trügerisch ruhig, dabei wies er auf die Seelensammlung.
    Ratlos blickte ihn der Angeklagte an. »Nein … mein Fürst.«
    »Du lügst!«
    »Ja, mein Fürst. Bitte richtet mich hin. Ich bin Eurer Gnade nicht würdig.«
    Ein Lächeln erschien auf Lucians Lippen, das denjenigen, die ihn besser kannten – und das waren fast alle hier im Saal – eine Gänsehaut des Grauens den

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