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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Rücken hinunterjagte. Einige sogen hörbar die Luft ein, nicht wenige wischten sich den Schweiß von der Stirn oder zeigten andere nervöse Regungen. Plötzlich wurde es beinahe unerträglich heiß. Zufrieden mit der Reaktion des Publikums, winkte er einen hochgewachsenen Dämon mit milchig grüner Haut und einem Paar hässlicher Keilerzähne herbei.
    »Unser kleiner Freund hier ist viel zu bescheiden. Bambus!«
    Sein Scharfrichter – das war der Job dieses Dämons – verbeugte sich, und im Nu war Marius an allen Extremitäten gefesselt und zwischen vier Pfosten gespannt. Dies allein wäre bereits eine unangenehme Folter gewesen. Doch unter ihm wuchs nun in wenigen Sekunden ein Feld aus Bambus empor. Genauso weit, bis die obersten Blätter den Körper berührten.
    Ohne ihm einen zweiten Blick zu gönnen, kehrte Lucian zu seinem Scherenstuhl zurück. Nachdem er ein Zeichen gegeben hatte, schwebte ein Heer weiß gekleideter Engel herein, um Erfrischungen zu servieren.
    Als Lucian sah, dass sich die Gäste zufrieden daran labten, rief er einige der Torwächter zu sich. »Kehrt auf eure Posten zurück und behaltet die Portale im Auge. Ich erwarte, über die geringste Unregelmäßigkeit informiert zu werden. Quaid wird eure Nachricht umgehend an mich weiterleiten.« Während er diese Worte sprach, sah er jeden von ihnen durchdringend an. »Was hier heute geschieht, ist nur der Anfang. Denkt daran!«
    Gehorsam verbeugten sich seine Wächter, und einer nach dem anderen zog sich zurück. Der erste Schmerzensschrei gellte bereits in ihren Ohren, bevor der letzte die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Es gab Leute unter seiner Gefolgschaft, die genossen die folgenden Stunden, in denen der Bambus den Körper des nahezu unsterblichen Engels durchbohrte. Die wenigen anwesenden Dämonen zeigten sich gleichgültig; sie waren mit Strafen dieser Qualität vertraut. Die meisten Zuschauer hätten sich allerdings nur zu gern abgewandt. Doch Lucian hatte es verboten, und er ging so weit, sich von den Katzendämoninnen Schultern, Hände und schließlich sogar die Füße massieren zu lassen, während Marius’ Schreie allmählich zu einem stimmlosen Wimmern wurden.
    Dass er selbst diese Grausamkeiten nicht mochte, spielte keine Rolle. Am Ende jedoch nahm er sein Schwert, schritt erneut die Stufen hinab und setzte die spitze Klinge auf den Solarplexus des Leidenden. »Soll ich ihn erlösen?«, fragte er das Publikum. Ein Stich in diesen zentralen Punkt magischer Existenz, eine Drehung, und die Qualen wären für immer beendet.
    Beinahe alle seine Leute stimmten zu. Die Gesichter der Unentschlossenen und Sadisten prägte er sich genau ein.
    Dabei sprach er zu Marius, meinte aber die gesamte Versammlung. »Ich meine, das wäre eine zu geringe Strafe für Verrat.«
    Der Scharfrichter kehrte mit seinen Assistenten zurück. Gemeinsam schnitten sie den nahezu Leblosen frei und stellten ihn auf die Füße. Die blutverkrusteten Wunden hatten bereits begonnen, sich zu schließen.
    Mit einer geübten Drehung des Handgelenks ließ Lucian sein Schwert niedersausen, dann zuckten die dunklen Schwingen des Engels ein letztes Mal auf dem Boden, bevor Helfer sie davontrugen. Ein kollektives Aufstöhnen ging durch die Reihen. Jeder im Raum, selbst die Dämonen, spürten den Schmerz am eigenen Leib. Die Flügel auf die Weise zu verlieren, war für einen Engel die schrecklichste Strafe. Schrecklicher noch, als aus Elysium verstoßen zu werden, denn sie wuchsen nicht von allein nach.
    »Marius. Ich will Gnade walten lassen.«
    Der letzte Akt nahte, und er streckte den Arm aus, auf dem ein gewaltiger Greifvogel landete. Der Adler war ein Geschenk Luzifers, der mit hintergründigem Lächeln erklärt hatte, sein Name sei Ethon.
    Nun wusste Lucian, welche Aufgabe das Tier erfüllen sollte. »Du sollst an den Turm gekettet werden, und deine Innereien sollen meinem gefiederten Freund hier täglich als Frühstück dienen.« Er streckte die freie Hand aus und zwang Marius, ihn anzusehen. »Hast du mich verstanden?«
    »Ja, mein Fürst«, sagte Marius laut genug, damit es jeder hören konnte.
    Erst nach dieser Antwort erlaubte Lucian, dass den Gequälten eine gnädige Ohnmacht zumindest vorübergehend alles vergessen ließ.
    »Die Versammlung ist beendet«, verkündete der Haushofmeister, und jeder, der den Saal verlassen wollte, musste Lucian mit einer Verbeugung einen respektvollen Gruß entbieten und an dem nun aufgebahrt daliegenden, geschundenen Körper

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