Feuerschwingen
sagen, dass sie ausgebildete Fallschirmspringerin war. Hatte sie ihm niemals davon erzählt? Wahrscheinlich nicht. Mila sprach nicht gern über sich selbst.
Also schlang sie die Arme um seinen Nacken und küsste ihn. Dieses Mal ausgiebig und voller Leidenschaft, und seine Reaktion ließ nicht auf sich warten. Seine Hände glitten über ihren Körper, bis ihr Herz schneller schlug. Hingebungsvoll schmiegte sie sich an ihn und schwelgte in dem Rausch, den das Begehren in ihr auslöste. Freundschaft und sexuelle Anziehung. Waren dies nicht die Elemente, die eine Beziehung länger am Leben erhielten als bloße Verliebtheit?
»Mila!« Behutsam schob er sie schließlich von sich. »Du weißt, wie gern ich hierbliebe, aber ich bin ohnehin spät dran. Darf ich nachher wiederkommen?«
Beinahe hätte sie dieses Mal zugestimmt.
Aber Gabriels Warnung klang klar und deutlich in ihren Ohren: Du darfst dich auf keinen Fall mit einem Sterblichen einlassen. Du möchtest doch nicht, dass dein Liebhaber am Ende womöglich für dich brennt?
Nein , das wollte sie nicht.
Damals war es seine einzige Antwort gewesen. Später hatte er dann gesagt, sie habe große Fortschritte gemacht. Gegen eine einmalige Begegnung mit einem Mann sei – außer natürlich vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, aber das nahm sie ihm nicht so ganz ab – nun nichts mehr einzuwenden. Woher der plötzliche Sinneswandel kam, hatte sie nicht herausgefunden. Vermutlich hatte er erkannt, dass man einer jungen Frau wie ihr ohnehin nicht verbieten konnte, sexuelle Erfahrungen zu machen, sofern man sie nicht auf irgendeine Art einsperrte. Manchmal hatte sie sich gewundert, warum er genau dies niemals in Betracht zog. Aber ganz bestimmt wollte sie nicht diejenige sein, die ihn durch eine entsprechende Frage womöglich auf dumme Gedanken brachte.
Eindringlich hatte Gabriel sie jedoch gewarnt: Nur dein Herz darf niemals beteiligt sein. Ich verlasse mich auf dich. Und dann hatte er sie an ihren Schwur erinnert, das Geheimnis notfalls auch mit ihrem Leben zu bewahren.
Es wäre hilfreich gewesen, wenn sie gewusst hätte, was genau sie da eigentlich schützen sollte, aber Mila hatte sich nicht getraut, ihn zu fragen. Gabriel war ein himmlischer Wächter, und er konnte ziemlich einschüchternd sein. Vielleicht aber war es auch Furcht vor dem Unerklärlichen gewesen, das sich in ihrem Inneren verborgen hielt und sie vor der Wahrheit zurückschrecken ließ.
Ihrem guten Ruf hatte Mila allerdings keinen Gefallen getan, als sie sich an seine Anweisungen hielt. Außer ein paar lieblosen Begegnungen in Clubs oder fremden Wohnungen war nie etwas gewesen. Herzlos hatte man sie genannt, und das diffamierende Wort Schlampe konnte sie mehr als einmal hinter ihrem Rücken hören.
»Mila?« Anthonys Wangen waren gerötet, seine Augen glänzten, und es war offensichtlich, dass er sich Hoffnungen machte, sie würde dieses Mal endlich einwilligen.
Ohne ihn anzusehen, schüttelte sie den Kopf – um die Erinnerungen loszuwerden und weil sie fürchtete, längst zu viel für ihn zu empfinden, um wenigstens eine gemeinsame Nacht riskieren zu können. »Du weißt doch …«
»Und gegen solche Kleidung hat deine orthodoxe Kirche nichts einzuwenden?« Er wies auf ihr T-Shirt, unter dem sich Milas Figur deutlich abzeichneten. »Irgendwann wirst du dich entscheiden müssen. Eine Freundschaft oder mehr.«
Einen nicht vorhandenen Glauben vorzuschieben, war ihr immer falsch vorgekommen, und wieder hörte sie Gabriels Stimme: Erzähl den Männern, was du willst. Es spielt keine Rolle, solange die Alternative ihr Verderben wäre.
Er war nicht nur einschüchternd, sondern ganz anders als die wenigen Engel, denen sie bisher begegnet war. Hätte sie nicht mit eigenen Augen seine schneeweißen Flügel gesehen, sie hätte ihn für einen Zyniker halten können. Ein geeigneter Lehrmeister für jemanden, der wie Mila damals durch ihre Lebensumstände außerordentlich verunsichert gewesen war, sah gewiss anders aus.
»Mila?« Alles an Anthony signalisierte, dass er ihr widersprüchliches Verhalten missbilligte.
Hastig zog sie den hochgerutschten Saum herunter, sodass der dünne Stoff ihre samtene Haut wieder vollständig bedeckte. »Es tut mir leid.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Bitte sei mir nicht böse. Wir reden ein andermal darüber, in Ordnung?«
Nun wirkte er eher verzweifelt als ärgerlich. »Du machst mich noch wahnsinnig. Also gut, ich muss
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