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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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jetzt los.« Immerhin erwiderte er ihren freundschaftlichen Kuss. »Schlaf schön und träume nur von mir!« Mit einem verlegenen Lachen, als wäre ihm diese Vertraulichkeit plötzlich peinlich, winkte er ihr zu und ging.
    Erleichtert ließ sich Mila auf den Küchenstuhl fallen. Es war ein großes Glück, dass Anthony einen solch gutmütigen Charakter besaß. Und natürlich hatte er recht – irgendwann müsste sie sich entscheiden. Ohne die Zustimmung ihrer himmlischen Wächter durfte sie ihm nicht einmal ihre weniger desaströsen Geheimnisse anvertrauen.
    Warum ich?
    Kurz angebunden wie meistens hatte Gabriel Schicksal geantwortet und sich dann doch zu einem wenig aufbauenden Kommentar hinreißen lassen. Finde dich damit ab, Miljena. Deine Erzeuger haben es verbockt, und du darfst die Sache ausbaden. Das ist doch in den Familien deiner Freunde sicher auch nicht anders.
    Da musste sie ihm zustimmen. Wie oft hatten sich ihre Mitschülerinnen über die Eltern beklagt. Aber zwei Engel kann man doch nicht mit Sterblichen vergleichen. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, wie er über ihre Eltern sprach. Noch heute ärgerte sie die Erinnerung daran.
    Engel? Er hatte sie starr angesehen und dann den Kopf geschüttelt.
    Tagelang war sie wütend gewesen. Was bildete er sich eigentlich ein? Die gefallenen Engel waren doch nicht schlechter als die Herrschaften dort oben mit ihren weißen Flügeln, von denen viele immer noch glaubten, dass Gefühle zu besitzen eine Schande war.
    Jedenfalls war es das, was ihre Mutter ihr erzählt hatte. Gabriel antwortete meistens nicht einmal, wenn sie ihn nach dem Elysium, der Welt, in der er zu Hause war, fragte.
    Er wird mir nie erlauben, jemandem meine Abstammung zu offenbaren. Sollte er es ihr doch gestatten, dann waren die Chancen dennoch verschwindend gering, dass ein Sterblicher jemals akzeptierte, wer sie war. Im Grunde wusste sie das selbst nicht einmal mehr. Es hatte eine Zeit gegeben, da waren sie eine glückliche Familie gewesen, das wusste sie ganz genau. Aber dann musste irgendetwas passiert sein. Plötzlich waren sie arm gewesen, hatten mitten in Sankt Petersburg in einer verfallenen Hütte gehaust, und die Mutter hatte sich immer mehr zurückgezogen. Das Ballett war ihre einzige Freude gewesen.
    Irgendwann kam die Flucht nach England. Wie alt war sie gewesen, und warum hatten sie schon wieder fliehen müssen? Mila konnte sich nicht genau erinnern. Trug sie die Schuld am Unglück ihrer Eltern? Das Leben meinte es nicht gut mit ihnen. Der Tod der Mutter hatte sie erschüt tert, und es dauerte lange, bis wenigstens Milas äußere Verletzungen vollständig verheilten. Geblieben war ihr ein Bruder, der keiner war und doch alles, was sie noch an ihre Vergangenheit erinnerte. Und dann das Wunder. Der beängstigende Wächterengel Gabriel, der ihr half, die verstörenden Kräfte in ihrem Inneren zu zähmen, hinter einer Mauer aus Stein und Rosendornen zu verbergen, die niemand durchbrechen würde, wenn sie sich genau an seine Anweisungen hielt.
    Schenkte sie ihm Glauben, so entsprach ihre Natur eher der eines mörderischen Drachens als der eines sanften Engels. Die Welt vor diesem Ungeheuer zu schützen, das sei nun ihre Aufgabe, hatte er ihr zum Abschied gesagt.
    Mama. Ihre Mutter war so früh gegangen. Nach all den Jahren, in denen Mila geglaubt hatte, selbst auf sich aufpassen zu können, war der Verlust ein Schock gewesen. So groß, dass sie darüber mit keinem Menschen sprechen mochte. Ich bin eine Abnormität . Dieses Wort hatte einstmals einer der mächtigsten Engel benutzt, dem sie je begegnet war. Sie würde es niemals vergessen.
    Mit jemandem näher befreundet zu sein, war unter diesen Umständen nicht immer einfach, aber Anthony gab ihr die Sicherheit, nach der sie sich hin und wieder sehnte. Seine Wärme, der Geruch nach würzigem Rauch, der ihn umgab, die Stimme – all das erinnerte sie an ihre Kindheit. Wie der Vater manchmal an ihrem Bett gesessen hatte, um ihr Geschichten zu erzählen, die Eltern ihren Kindern seit Anbeginn der Zeit erzählten. Spannende, lustige und nicht selten auch gruselige Begebenheiten, von Himmel und Hölle, Feen und anderen mysteriösen Geschöpfen, an deren Existenz sie zu glauben nie aufgegeben hatte.
    Warum auch? Sie war ja selbst ein Teil der magischen Welt, auch wenn sich diese seit Gabriels Besuchen nicht mehr offenbarte, weil sie Mila nicht als eine der ihren erkannten. Im Grunde sollte sie dankbar dafür sein, und dennoch erschien ihr der

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