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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Ihre mädchenhafte, beinahe zerbrechliche Ausstrahlung täuschte. Wer den biegsamen Körper sah, hätte sie für eine Balletttänzerin halten können, wäre sie nicht so hochgewachsen, woran die unglaublich langen Beine einen nicht unerheblichen Anteil hatten. Mit ihrem beachtlichen Repertoire an unterschiedlichen Kampftechniken hätte sie jeden normalen Einbrecher ohne Zweifel schnell aus dem Herrenhaus vertrieben. Dieser vordergründige Widerspruch aus weiblicher Grazie und unerbittlichem Kampfgeist gefiel ihm. Schmunzelnd erinnerte er sich an die nächtliche Begegnung im Arbeitszimmer des Viscounts, bei der sie sich auch nicht zu schade gewesen war, einige ausgesprochen schmutzige Tricks anzuwenden, die eher auf eine raue Kindheit und Jugend in den weniger eleganten Vierteln einer Großstadt schließen ließen als auf eine militärische Ausbildung.
    Welch ein Gegensatz zu dem feenhaften Geschöpf, dessen Geheimnis er zu erkunden trachtete. Die hohen Wangenknochen, der exotisch anmutende, porzellanzarte Teint und nicht zuletzt der intelligente Blick aus schräg gestellten und doch ungewöhnlich großen Augen machten sie zu einer Schönheit, die hierzulande womöglich nicht angemessen geschätzt wurde; in der Feenwelt hätte man königliches Blut in ihren Adern vermutet, und Lucian, der Connaisseur, konnte sich kaum sattsehen.
    Ihre Lider flatterten und ließen die langen Wimpern wie winzige Flügel aussehen. Sie träumte. Ein herzergreifender Seufzer ließ ihn wünschen, er könnte ihr die Last abnehmen, die sie ganz offensichtlich bedrückte. Doch Milas Geheimnisse lagen tief in ihrem Inneren, von einer rätselhaften Magie selbst vor Lucian verborgen. Der mentale Schutzwall hätte nicht passender gewählt sein können. Die Rosen um ihre Dornröschenfestung verhöhnten ihn geradezu mit ihrem lieblichen Duft. Gewiss, schiere Gewalt hätte es vermocht, den Turm einstürzen lassen, das wusste Lucian aus Erfahrung. Das aber würde er nicht zulassen. Niemals durfte diese exquisite Kostbarkeit Schaden nehmen.
    Um jeden Preis? , machte sich die Stimme in seinem Kopf lustig, die einst seinem Gewissen gehört hatte, aber längst zu einer zynischen Begleiterin geworden war. Warum bist du an diesem reizenden Mysterium interessiert? Weil es eine Abwechslung ist, einmal nicht sofort seinen Willen zu bekommen?
    »Zur Hölle mit dir!«
    Wie du wünschst!
    Während das wissende Lachen in der Ferne verklang, näherte sich bereits der nächste ungebetene Gast. Die Haustür wurde aufgeschlossen, und Florence trat ein.
    »Mila, schläfst du schon?«
    Jetzt nicht mehr , dachte er und hätte dieser Florence am liebsten den Hals umgedreht.
    Mit müder Stimme fragte Mila: »Was ist los?« Dabei schmiegte sie sich vertrauensvoll an ihn. Ist sie ein Luder oder noch im Halbschlaf?
    »Kann ich hochkommen?« Florence durchquerte den Raum.
    »Nein!«, raunte er Mila nachdrücklich ins Ohr.
    »Lucian, was machst du hier?«, fragte sie erschrocken, aber ebenso leise.
    Die Dielen knarrten.
    »Schick sie weg!«
    Glücklicherweise reagierte Mila sofort. »Ähm, lieber nicht. Ich bin schrecklich müde. Hat das nicht bis morgen Zeit?«
    »Entschuldige. Natürlich! Ich wollte dich nur fragen, ob du was dagegen hast, wenn ich heute nicht hier schlafe? Henry möchte, dass ich ihm beim Einrichten des Apartments in Ivycombe helfe. Sebastian ist auch dort …«
    »Kein Problem. Mir fehlt es an nichts. Florence, ist im Herrenhaus alles in Ordnung?«
    »Ehrlich gesagt würde ich die ganze Bude gern anzünden.«
    Mila schien zu lachen, jedenfalls bebte ihr Körper auf ausgesprochen angenehme Weise. Um einen angemessen mitleidigen Ton bemüht, sagte sie schließlich: »Scheußlich, oder? Aber mach dir keine Sorgen. Peter hat versprochen, dass wir für den Las-Vegas-Geschmack der Lady nicht verantwortlich gemacht werden, und Mr. Shaley schreibt bestimmt einen großartigen Artikel.«
    »Aha!« Das wissende Lächeln, das ihre Freundin dabei trug, war praktisch bis hier oben aus dem Tonfall zu erahnen. Ebenso wie das Knarren der Dielen, das sich jetzt durch das Cottage bewegte. »Du lässt aber auch nichts anbrennen, meine Liebe! Der arme Anthony hat natürlich selbst Schuld, was treibt er sich auch schon wieder in der Weltgeschichte herum?«
    Ein Licht flammte auf, als Florence die Tür zu ihrem Schlafraum öffnete. Das deutlich hörbare Rumoren, das nun folgte, ließ darauf schließen, dass sie eine Tasche packte, die für mehr als nur eine Übernachtung

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