Feuersee
Blick auf den Herzog. »Auf den können wir
nicht mehr zählen.« Der
Patryn stand auf, taumelte und wäre fast wieder auf die
Steinbank gesunken. Ein
drohender Blick warnte Alfred, Abstand zu wahren. Haplo gewann das
Gleichgewicht zurück, taumelte aus der Zelle und schaute den
Gang hinunter, der
sich in undurchdringlicher Finsternis verlor.
»Führt er nach draußen? Oder ist
es eine
Sackgasse? Wenn es eine Sackgasse ist, sind wir verloren. Wenn nicht,
kann es
sein, daß wir bis ans Ende unserer Tage in diesem Labyrinth
umherirren. Wieder
ein Labyrinth! Trotzdem, es … Hallo, alter Junge! Wo kommt
du denn her?«
Der Hund, der sich aus der Dunkelheit
materialisiert zu haben schien, sprang mit einem fröhlichen
Bellen an seinem
Herrn in die Höhe. Haplo bückte sich, um ihn zu
liebkosen. Das Tier hüpfte und
tänzelte und schnappte in einem wahren Freudentaumel nach
seinen Füßen.
Die Schritte waren schon ziemlich nahe; man
konnte Stimmen hören, manches sogar verstehen. Es schien,
daß man zögerte, dem
Fremden mit der unheimlichen Macht gegenüberzutreten.
Haplo streichelte den Hund und blickte Alfred
fragend an.
»Ich weiß, ich weiß!«
rief Alfred kläglich. Er
wich dem Blick des Patryns aus, erhob sich ungewohnt schnell und ging
zu der
Stelle, wo der Bewahrer zusammengesunken auf dem Boden lag. Neben dem
Bewußtlosen kniete er nieder. »Die Antwort ist
nein! Ich kann mich nicht an die
Formel erinnern, mit der ich die Toten getötet habe.«
»Dann haben wir keine Zeit zu verlieren!«
herrschte der Patryn ihn an. »Wir müssen weg hier!
Auch wenn wir nicht …«
»Die Runen!« Alfred starrte auf die von
der
Lampe angeleuchtete Wand und streckte die zitternde Hand aus.
»Die Runen!«
»Ja? Und?«
»Sie werden uns nach draußen
führen. Ich –
warte!« Alfreds Finger glitten über die Kreise und
Spiralen und verschlungenen
Muster. Bei einem Symbol hielt er inne und sprach das Wort. Die Rune
unter
seinen Fingerspitzen begann zu leuchten, sie verströmte ein
weiches, intensives
blaues Licht. Von der ersten sprang das Feuer auf die zweite Rune
über, von
dieser auf die nächste, bis sie in langer Reihe wie eine
bläulich schimmernde
Perlenschnur in die Dunkelheit wiesen.
»Die Runen zeigen uns den Weg?«
»Ja«, bestätigte Alfred
zuversichtlich. »Das
heißt …« Er zögerte, weil ihm
einfiel, was er in den Räumen oben im Palast
gesehen hatte. Seine Schultern sanken herab. »Das
heißt, wenn die Sigel nicht
von der Luft hier unten zerfressen wurden oder man sie entfernt hat
…«
Haplo stieß ein Knurren aus. »Wir werden
sehen.
Wenigstens ist es ein Anfang.« Die Stimmen wurden lauter.
»Komm schon. Es hört
sich an, als hätte man die ganze verfluchte Armee in Marsch
gesetzt! Du gehst
vor. Ich hole den Prinzen. Wie ich Baltasar kenne, wird er es wenig
freundlich
aufnehmen, wenn wir ohne Seine Hoheit auftauchen.«
Der Bewahrer war noch ohne Besinnung, doch ihm
fehlte weiter nichts. Man konnte ihn ruhigen Gewissens hier liegen
lassen.
Alfred trat zu dem jungen Herzog, beugte sich zu ihm herunter und
suchte nach
Worten, um diesen vom Schicksal geschlagenen Mann zu
überreden, ein Leben zu
retten, das ihm nach dem Verlust seiner geliebten Frau wahrscheinlich
nicht
mehr viel bedeutete.
Alfred setzte zum Sprechen an, hielt inne und
rang erschüttert nach Atem.
Jonathans Magie hatte gewirkt. Jeras Augen waren
geöffnet; mit freudigem Erkennen richteten sie sich auf die
Züge des geliebten
Mannes. Er wollte sie an sich ziehen, doch im selben Moment war es, als
huschte
ein Schatten über ihr Gesicht oder als würde ein
Schleier fortgezogen, und sie
starrte ihn mit dem kalten, leeren Blick der Toten an.
»Jonathan!« klang ihre lebende Stimme
kummervoll. »Was hast du getan?«
Und ein verwehendes Echo wisperte: »Was hast du
getan?«
Von unaussprechlichem Grauen überwältigt,
wich
Alfred Schritt für Schritt zurück, prallte gegen
Haplo und umklammerte dankbar
dessen Schulter.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du
sollst
vorgehen!« erklärte der Patryn unfreundlich. Er
führte den Prinzen mit sich,
der sich durchaus gefügig zeigte. »Laß den
Herzog, wenn er nicht mitkommen
will. Er ist für uns ohne Nutzen. Was, zum Henker, ist los mit
dir? Ich …«
Haplo schaute an Alfred vorbei, die Worte
starben ihm auf den Lippen.
Jonathan war aufgestanden und half seiner Frau,
sich zu erheben.
Der Pfeilschaft
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