Feuersee
ragte aus ihrer Brust, ihre
Kleider waren mit Blut getränkt. Das alles war
unverändert geblieben, seit
Alfred sie sterbend in Jonathans Armen liegen gesehen hatte. Aber ihr
Gesicht …
»Einmal, auf Drevlin, sah ich eine Frau, die
ertrunken war«, sagte Alfred leise, beinahe
ehrfürchtig. »Sie lag, ihre Augen
waren geöffnet, und das Wasser bewegte ihr Haar. Sie sah aus,
als wäre sie
lebendig. Aber ich wußte die ganze Zeit, sie war es
nicht.«
Nein, sie war es nicht. Er erinnerte sich an die
Zeremonie, deren Zeuge er in der Höhle gewesen war, erinnerte
sich an die
Schemen, die hinter den Toten standen, aus dem Körper
vertrieben.
»Jonathan!« rief die Stimme wieder und
wieder.
»Was hast du getan?«
Und das schaurige Echo: »… was hast du
getan?«
Jeras Schemen hatte keine Zeit gehabt, sich von
dem Körper zu lösen. Die Frau war gefangen zwischen
zwei Welten, der Welt der
Toten und der Welt der Schatten. Sie war eine Lazar. 13
Nach der Großen Teilung verwenden die Sartan, die
die verbotene Kunst der Nekromantie praktizieren, den Ausdruck
für solche
Wiedergänger, die zu früh von den Toten auferweckt
worden sind.
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Kapitel 28
Die Katakomben,
Abarrach
Der Bewahrer stöhnte und regte sich, als das
Bewußtsein langsam wiederkehrte. Man hörte wieder
Schritte, hingegen waren die
streitenden Stimmen verstummt. Offenbar hatten die Soldaten ihre
Befehle
erhalten und die Verfolgung aufgenommen. Der auferstandene Leichnam von
Prinz
Edmund musterte seine Umgebung mit dem benommenen Ausdruck eines zu
ungewohnter
Stunde rüde aufgeweckten Schläfers; das Wispern
seines Schemens, der ihm nicht
von der Seite wich, hörte sich an wie das Flüstern
eines frostigen Windes. Die
tote Herzogin war eine grauenerregende Erscheinung. Ihr
Äußeres veränderte sich
alle Augenblicke, von einem transparenten Schemen zu einem
abstoßenden,
blutigen Leichnam und gleich wieder zu einem vagen Schatten. Ihr Mann
wirkte
ebenso willenlos wie ein lebender Toter; er starrte sie nur an, die
Ungeheuerlichkeit seines Verbrechens hatte ihn gelähmt. Alfred
war kreidebleich
und sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Der
Hund bellte
aufgeregt.
»Es wäre leichter«, sagte Haplo
zu sich,
»einfach aufzugeben und zu sterben, aber ich will verdammt
sein, wenn ich ihnen
meinen Körper überlasse, um damit Schindluder zu
treiben.« Er versetzte Alfred
einen unsanften Stoß. »Los jetzt!« befahl
er schroff. »Ich habe den Prinzen.
Schnell!«
»Und was ist mit …« Alfreds
Blick hing wie
gebannt an dem Herzog und der Schreckensgestalt, die einmal die
Herzogin
gewesen war.
»Vergiß sie! Wir müssen weg, oder
es ist zu
spät. Die Soldaten und höchstwahrscheinlich auch der
Herrscher werden gleich
hier sein.« Haplo schob den widerstrebenden Alfred vor sich
her. »Kleitus wird
sich mit den beiden befassen.«
Die Lazar starrte ihn an. »Man wird mich ins
Nichts verbannen!« kreischte der tote Mund.
»… ins Nicrua …«
ertönte das Echo.
Angst trieb die Lazar, den Lebenden und dem
toten Prinzen zu folgen. Haplo, der einen Blick über die
Schulter warf, glaubte
in dem bläulichen Zwielicht der schimmernden Runen, zwei
Frauen hinter sich
herlaufen zu sehen.
Auch Jonathan war aus seiner Starre erwacht. Er
holte seine Frau ein und schien nach ihrer Hand greifen zu wollen, doch
offenbar konnte er sich nicht überwinden, sie zu
berühren. Er ließ den
ausgestreckten Arm sinken und fiel ein paar Schritte zurück.
Alfred sang. Die Runen an den Wänden strahlten
hell und wiesen ihnen den Weg. Der Fries war nur an wenigen Stellen
unterbrochen. Wo an einer Seite des Ganges die Sigel matter wurden oder
ganz
erloschen, waren die auf der anderen Seite vollständig und
unbeschädigt.
Die magischen Wegweiser führten sie in die
tiefsten Tiefen der Katakomben. Es ging unangenehm steil
abwärts; man durfte
nicht zu schnell laufen und ermüdete rasch. Den Zellenblock
hatten sie bald
hinter sich gelassen.
»Dieser Teil ist – uralt!«
keuchte Alfred, der
soviel Mühe hatte, Kopf und Füße in
Einklang zu bringen, daß er ganz außer Atem
war. »Die Runen sind –
unbeschädigt.«
»Aber wohin zum Henker führen sie
uns?« wollte
Haplo wissen. »Ich will nicht hoffen, daß sich
plötzlich ein Abgrund vor uns
auftut, oder wir stehen vor einer Mauer, und es geht nicht mehr
weiter.«
»Bestimmt nicht. Glaube ich …«
»Du
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