Feuersee
fragte Haplo gereizt. Er
fühlte sich
nicht wohl in seiner Haut, und diese Welt der Sartan, in der er sich
auf Alfred
verlassen mußte, war ihm unbegreiflich zuwider.
»Hund, paß auf!« befahl er dem
Tier und sandte ihn mit einer Handbewegung auf dem Weg zurück,
um dort Wache zu
halten. »Was ist seltsam? Geht es hier nicht
weiter?«
»O doch. Hier ist eine Tür.«
»Kannst du sie öffnen?«
»Aber ja, ein Kind wäre dazu
fähig.«
»Dann suchen wir ein Kind, damit es endlich
weitergeht!« Haplo kochte innerlich vor Ungeduld.
Alfred studierte die Wand mit akademischem
Interesse. »Es sind ganz einfache Runengefüge, wie
man sie an der
Schlafzimmertür im eigenen Haus anbringen würde, aber
…«
»Aber was?« Haplo beherrschte mannhaft den
Drang, beide Hände um den Hals des Sartan zu legen und ihn zu
erwürgen. »Komm
zur Sache!«
»Es sind zwei verschiedene Arten von
Runen.«
Alfred fuhr mit dem Zeigefinger die feinen Linien entlang.
»Siehst du, was ich
meine?«
Ja, Haplo konnte es sehen. Deshalb waren ihm die
Sigel gleich auf den ersten Blick ungewöhnlich vorgekommen.
»Zwei Inschriften.« Alfred sprach zu sich
selbst. »Die eine wurde später hinzugefügt,
oberhalb der ersten.« Ein Netz von
Falten krauste die hohe, gewölbte Stirn, die
schütteren Brauen zogen sich
grüblerisch zusammen.
Der Hund bellte warnend.
»Kannst du nun diese verdammte Tür
öffnen?«
wiederholte Haplo. Er hatte die Fäuste geballt und gab sich
alle Mühe, nicht
die Beherrschung zu verlieren.
Alfred nickte geistesabwesend.
»Dann tu’s.« Haplo sprach
besonders leise, um
nicht plötzlich loszubrüllen.
Alfred schaute ihn zweifelnd an. »Ich weiß
nicht, ob es richtig wäre.«
»Ob es richtig wäre?«
Haplo schwankte
zwischen Hohn und Unglauben. »Warum? Was steht denn da
geschrieben? Noch mehr
Warnungen? Finstere Drohungen?«
»Nein«, gab Alfred zu und schluckte
nervös.
»Weiherunen. Dieser Ort ist geweiht, heilig. Fühlst
du es nicht?«
»Nein?« log Haplo aufgebracht.
»Alles, was ich
fühle, ist Kleitus’ Atem in meinem Genick!
Öffne diese verfluchte Tür!«
»Geweiht – heilig. Ihr habt
recht«, flüsterte
Jonathan ehrfürchtig. Ein wenig Farbe war in sein Gesicht
zurückgekehrt, und er
musterte seine Umgebung mit verwunderter Scheu. »Ich frage
mich, was hier
einmal gewesen sein mag. Und warum hat niemand von diesem Ort
gewußt?«
»Die Runen sind alt, sie stammen noch aus der
Zeit unmittelbar nach der Großen Teilung. Der Schutzzauber
draußen hat jedem
den Zutritt verwehrt, und dann kam im Lauf der Jahrhunderte das
Vergessen.«
Wieder bellte der Hund. Er kehrte mit weiten
Sätzen zu seinem Herrn zurück, drückte sich
an dessen Bein und schaute hechelnd
in die Richtung, aus der die Verfolger auftauchen mußten.
»Kleitus kommt. Öffne die
Tür«, forderte Haplo
den Sartan erneut auf. »Oder wir werden hier sterben. Was uns
dann erwartet,
weißt du ja.«
Alfred blickte furchtsam zurück und nach vorn.
Seufzend strich er mit den Händen über die Felsmauer,
zeichnete Runen, sang mit
gedämpfter Stimme Beschwörungsformeln. Der Stein
begann sich unter seinen
Fingerspitzen aufzulösen, und schneller, als das Auge es
wahrzunehmen
vermochte, erschien eine Öffnung in der Mauer, umrahmt von den
blauen Runen, die
ihnen den Weg gewiesen hatten.
»Zurück!« befahl Haplo. Er
drückte sich an die
Wand neben der Öffnung und spähte vorsichtig um die
Ecke, in der Erwartung, daß
ihm aus der Finsternis ein geifernder Rachen entgegenfletschen
würde.
Nichts, nur Staub. Der Hund schnüffelte und
mußte niesen.
Haplo straffte sich, schnellte durch die Tür und
ins Ungewisse. Fast hoffte er, daß sich etwas auf ihn
stürzte, dessen man Herr
werden konnte.
Sein Fuß stieß an einen Gegenstand auf dem
Boden, der sich klappernd bewegte.
»Licht!« raunzte er und blickte zu Alfred
und
Jonathan zurück, die abwartend in der
Türöffnung standen.
Alfred beeilte sich hereinzukommen. Mit
flatternden Händen zeichnete er eine Rune in die Luft und
begleitete jede Geste
mit diesem Singsang, den Haplo von ganzem Herzen verabscheute.
Gedämpftes und
weißes Licht erfüllte den Raum. Der Ursprung war
eine mit Sigeln gravierte
Kugel, die unter der kugelartig gewölbten Decke hing, genau
über einem
rechteckigen Tisch aus schneeweißem Holz – einem
Tisch, der unmöglich aus
dieser Welt stammen konnte.
Sieben versiegelte Türen
Weitere Kostenlose Bücher