Feuersee
an. Erst jetzt begriff er den grausamen Plan des
Nekromanten. Die
Greisin behauptete ihren Platz. Einmütig erhoben sich die
Männer und Frauen an
dem Tisch und bildeten einen schützenden Kreis um ihr
Heiligtum.
»Du vergeudest deine Zeit, und wenn du nicht
abläßt von diesem Tun, auch dein Leben, Kleitus.
Unsere Stimmen magst du zum
Schweigen bringen, doch es werden andere nach uns kommen. Der Tisch
wird nicht
zerstört!«
»Ihr wolltet ihn verteidigen?«
höhnte Kleitus.
»Nur mit unseren Leibern und unseren Gebeten.
Freunde, keine Gewalt, fügt ihnen kein Leid zu, sie sind
Angehörige unseres eigenen
Volkes. Keine magischen Schilde. Wir brauchen sie nicht. Ich warne dich
nochmals, Kleitus!« Die Stimme der greisen Mentorin
tönte laut und furchtlos
durch das Gemach: »Dieser Ort ist heilig, gesegnet. Wer hier
Gewalt übt …«
Eine Bogensehne schwirrte, ein Pfeil schnellte
über den Tisch und schlug dumpf in den Körper der
alten Frau.
»… dem wird vergeben«,
flüsterte sie und sank
über den Tisch. Ein Blutstrom färbte das
weiße Holz rot.
Eine Bewegung ließ Alfred herumfahren. Er sah
die Spitze eines Pfeils auf sich weisen. Das Gesicht des Mannes
dahinter war
von einer Wut, die aus Angst erwächst. Alfred vermochte sich
nicht zu rühren.
Selbst wenn er es gewollt hätte, wäre er nicht
imstande gewesen, sich mit einer
Beschwörung zu schützen. Der Mann zog die Sehne
zurück und spähte am
Pfeilschaft entlang. Alfred wartete auf den Tod. Nicht etwa
heldenmütig, wurde
ihm traurig bewußt, sondern wie ein Narr.
Eine starke Hand versetzte ihm einen heftigen
Stoß in den Rücken, und er fiel …
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Kapitel 31
Das Sanktuarium,
Abarrach
»Verflucht, Sartan! Was zum Henker soll das
Theater?« Jemand packte ihn und schüttelte ihn grob.
Alfred hob den Kopf und schaute sich verwirrt
um. Er lag auf dem Boden und erwartete, die blutgetränkten
Säume weißer
Gewänder zu sehen, die trampelnden Füße der
von Kleitus aufgehetzten Menge.
Statt dessen sah er einen Hund vor sich stehen, daneben Haplo.
Draußen hörte er
Stimmen, Rufe, schwere Schritte. Der Mob … Aber nein, das
war doch lange …
»Den Tisch – schützen
…« Alfred stand mühsam
auf.
»Es ist keine Zeit für irgendwelche von
deinen
Marotten!« fauchte Haplo. »Hörst du das?
Die Soldaten kommen!«
»Ja, die Mörder …«
Haplo schüttelte ihn, als könnte er ihm so
das
Kaleidoskop seines Verstandes wieder in die rechte Ordnung bringen.
»Hör jetzt
endlich auf damit und laß dir was einfallen, um unsere Haut
zu retten!«
»Ich verstehe nicht … Sag mir, was
passiert ist!
Ich habe wirklich keine Ahnung!«
Der Patryn hielt den wachsamen Blick auf die Tür
gerichtet. Er ließ Alfred los und richtete sich erbittert
auf. »Weshalb sollte
mich das wundern? Also gut, Sartan. Während der
Herstellung“, die du für uns
gegeben hast …«
»Das war ich nicht …«
»Sei still und hör zu! Unserer Herzogin ist
es
irgendwie gelungen, die Magie in diesem Raum zu überlisten und
die Tür da
drüben zu öffnen. Ich hoffe, du wirst jetzt dasselbe
für uns tun.« Haplo
deutete auf die Tür in einem Winkel von
fünfundvierzig Grad neben der ersten.
»Sobald ich den Befehl gebe. Hast du dich
einigermaßen erholt?«
»Ja«, antwortete Alfred ohne rechte
Überzeugung.
Ihm wurde schwindelig, und er hielt sich an der Tischkante fest. Er
hatte den
verwirrenden Eindruck, sich an zwei Orten gleichzeitig zu befinden, und
verspürte ein starkes Widerstreben, den weniger realen zu
verlassen. Dieser
wohltuende Friede und – und das Gefühl, etwas
gefunden zu haben, lange gesucht
– nun wieder verloren …
»Eine überflüssige
Frage!« Haplo musterte ihn
finster. »Selbst zu deinen besten Zeiten ist mit dir nichts
anzufangen. Duck
dich, verdammt! Mit einem Pfeil im Hals nützt du mir nichts.
Und wenn du in
Ohnmacht fällst, lasse ich dich hier liegen!«
»Ich werde nicht in Ohnmacht fallen«, wies
Alfred die Unterstellung mit Würde zurück.
»Und meine eigene Magie ist stark
genug, um mich zu schützen – gegen
Angriffe«, fügte er unsicher hinzu.
Freunde, keine Gewalt. Fügt ihnen kein Leid zu,
sie sind Angehörige unseres eigenen Volkes. Keine magischen
Schilde …
Ich tat, worum sie uns bat. Ich verzichtete
darauf, mich zu schützen. Haplo wußte es. Er
wußte es, weil er mit mir dort
gewesen ist. Er saß neben mir! Er hat gesehen, was ich sah
…
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