Feuersee
nicht von dem erbarmungswürdigen Heer zu
lösen. Ein Heer
der Sartan. Ihn überfiel eine unerklärliche,
quälende Unruhe, als hätte sich in
der säuberlich geordneten Welt seiner Vorstellung
plötzlich das Unterste
zuoberst gekehrt.
»Was für eine Art von Magie treibt dieses
Schiff
an?« erkundigte sich Haplo, nachdem er das Oberdeck
längs und quer
abgeschritten hatte, ohne irgendwo Sartan-Magie am Werk gesehen zu
haben. Und
doch pflügte der eiserne Drache unbeirrt die trägen,
rotglühenden Fluten und
stieß fauchend mächtige Dampfwolken aus Rachen und
Nüstern.
»Keine Magie. Wasser«, antwortete
Jonathan.
»Dampf, genauer gesagt.« Das Geständnis
schien ihm peinlich zu sein, und er
begegnete Haplos erstauntem Blick fast mit Trotz.
»Früher wurde das Schiff von
Magie angetrieben.«
»Ehe die Magie gebraucht wurde, um die Toten zu
erwecken und zu erhalten«, bemerkte Alfred und warf einen
Blick mitleidigen
Grauens auf die Wiedergänger, die in ungeordneten Reihen an
Deck Aufstellung
genommen hatten.
»Ja, das stimmt.« In der kurzen Zeit, die
er ihn
kannte, hatte Haplo den jungen Herzog nie so ruhig erlebt.
»Und, um der
Wahrheit die Ehre zu geben, auch um uns selbst zu erhalten. Ihr beide
werdet
inzwischen am eigenen Leib erfahren haben, wieviel Magie aufgewendet
werden
muß, um hier unten zu überleben. Die furchtbare
Hitze, die giftigen Dämpfe
fordern ihren Tribut. Wenn wir in der Stadt ankommen, werdet ihr einem
unablässigen, ätzenden Regen ausgesetzt sein, der
nichts wachsen läßt, sondern
alles zerfrißt – Stein, Haut und Fleisch
…«
»Und doch ist dieses Gebiet bewohnbar,
verglichen mit den übrigen Regionen dieser Welt«,
bemerkte Edmund, während sein
Blick auf den von Stürmen aufgewühlten Wolkenmassen
über der Stadt ruhte.
»Glaubt Ihr vielleicht, wir hätten gleich bei den
ersten Anzeichen von
Schwierigkeiten aufgegeben? Wir gaben erst auf, als uns keine Hoffnung
mehr
blieb. Irgendwann ist es soweit, daß nicht einmal die
stärkste Runenmagie Leben
erhalten kann in einem Reich ohne Wärme, wo das Wasser hart
friert wie Fels und
ewige Nacht herrscht.«
»Und mit jedem Zyklus, der vergeht«, sagte
Jera
leise, »schrumpft die Magmasee ein wenig mehr, sinkt die
Temperatur in der
Stadt. Wir nähern uns unaufhaltsam seinem Zentrum! Das hat
mein Vater
festgestellt.«
»Ist das wahr?« fragte der Prinz
bestürzt.
»Du solltest aufpassen, was du sagst,
Liebste«,
warnte Jonathan mit gedämpfter Stimme.
»Mein Mann hat recht. Nach dem neuen Edikt ist
es Hochverrat, so etwas auch nur zu denken. Doch ja, Hoheit, ich
spreche die
Wahrheit! Ich und andere, die sind wie ich und mein Vater, wir werden
fortfahren, die Wahrheit zu sagen, auch wenn viele sie nicht
hören wollen!«
Jera hob stolz das Kinn. »Mein Vater beschäftigt
sich mit wissenschaftlichen
Studien, physikalischen Gesetzen und Eigenschaften, alles Dinge, von
denen man
behauptet, sie seien unter unserer Würde. Er hätte
Nekromant werden können,
doch er lehnte mit der Begründung ab, es wäre an der
Zeit, daß die Bewohner
dieser Welt ihr Augenmerk auf die Lebenden richteten statt auf die
Toten.«
Edmund schien diesen Standpunkt zu radikal zu
finden. »Bis zu einem gewissen Grad stimme ich mit dieser
Auffassung überein,
doch ohne unsere Toten – wie könnten wir
überleben? Wir wären gezwungen, unsere
Magie für niedere Arbeiten zu vergeuden, aber wir brauchen
alle Kraft, um uns am
Leben zu erhalten.«
»Wenn wir die Toten sterben ließen; wenn
wir
Maschinen entwickelten wie die, von der dieses Schiff angetrieben wird;
und
wenn wir arbeiteten und forschten und uns bemühten, mehr
über die Ressourcen
dieser Welt in Erfahrung zu bringen, würden wir nach meines
Vaters Überzeugung
nicht nur überleben, sondern es würde uns besser
gehen als je zuvor.«
»Liebste, ist es klug, vor Fremden so offen zu
sprechen?« mahnte Jonathan erneut. Er war blaß
geworden.
»Besser vor Fremden als vor denen, die sich
unsere Freunde nennen!« erwiderte Jera verbittert.
»Schon vor langer Zeit, sagt
mein Vater, hätten wir aufhören sollen, darauf zu
warten, daß von den anderen
Welten jemand kommt, um uns zu retten. Es ist Zeit, daß wir
darangehen, uns
selbst zu retten.«
Wie unabsichtlich fiel ihr Blick dabei auf die
Fremden. Haplo erwiderte ihn gelassen und ausdruckslos. Er wagte nicht,
die
Frau aus den Augen zu lassen und Alfred
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