Feuersee
setzen, um einen
tolpatschigen,
begriffsstutzigen Narren zu retten, statt eines Mannes, der
›die Prophezeiung‹
erfüllt hatte, was immer darunter zu verstehen war. Die
Antwort auf diese Frage
wollte er jedoch gar nicht wissen.
»Was wird mit dem Prinzen geschehen und mit
–
mit Haplo?«
»Ihr habt Pons gehört«,
antwortete die Herzogin
kurz. »Wen?«
»Den Kanzler.«
»Aber er hat von Mord gesprochen!« Alfred
war
erschüttert. Greueltaten bei den Nichtigen,
hochmütige Geringschätzung fremden
Lebens bei den Patryn, das hätte er fassen können
– aber sein Volk!
»Es wäre nicht das erste Mal«,
meinte der Herzog
grimmig, »und es wird nicht das letzte Mal sein.«
»Ihr müßt Euer eigenes Wohl im
Auge haben«,
mahnte ihn Jera. »Es ist noch Zeit, an Hilfe für
Eure Freunde zu denken, wenn
Ihr in Freiheit seid.«
»Oder zumindest gelingt es uns vielleicht, ihre
Leichen zu retten«, versuchte Jonathan ihn aufzumuntern, und
Alfred, der dem
jungen Mann in die Augen sah, erkannte, daß der Herzog in
völligem Ernst
sprach.
Alfred fühlte sich wie betäubt. Das alles
mußte
ein Alptraum sein, aber jemand anders träumte ihn, denn er
konnte und konnte
nicht daraus erwachen. Die warmen Hände des Herzogs und der
Herzogin bugsierten
ihn durch ein Meer von Wiedergängern und bewahrten ihn davor,
von der
Grabeskälte der bläulichweißen toten
Leiber, die sie von allen Seiten
umdrängten, übermannt zu werden. Der Gestank von
Verwesung war allgegenwärtig;
er entströmte nicht nur den auferstandenen Leichen, sondern
lastete erstickend
über diesem Reich des Todes.
Die ganze Stadt mit ihren Gebäuden aus Obsidian,
Granit und erstarrter Lava war dem ständigen
Säureregen ausgesetzt. Wohnhäuser
und Läden verfielen, zerbröckelten, wie die Leiber
der wandelnden Toten. Hier
und da entdeckte Alfred alte Runen oder was von ihnen
übriggeblieben war;
Sigel, deren Magie dieser freudlosen, düsteren Stadt Licht und
Wärme gebracht
haben würde. Aber die meisten waren so gut wie
ausgelöscht. Alfreds Beschützer
verlangsamten ihren Schritt; ihm wurde flau zumute.
»Vor uns ist eine Kreuzung«, sagte Jera
halblaut
und verstärkte ihren Griff um seinen Arm. Ihr Gesicht war
ernst und
entschlossen, ihr Ton bestimmt und eindringlich. »Da gibt es
die üblichen
Stockungen, oft geht es überhaupt nicht weiter. Sobald wir die
Kreuzung
erreicht haben, müßt Ihr Euch genau an unsere
Anweisungen halten.«
»Ich glaube, ich muß Euch vorwarnen
– ich bin
kein guter Läufer und habe gar kein Talent, Verfolger
abzuschütteln oder
dergleichen.«
Jera lächelte, ein wenig verbissen und schief
zwar, doch stand in ihren grünen Augen ein warmes Leuchten.
»Das wissen wir«,
meinte sie und tätschelte wieder seinen Arm. »Keine
Sorge. Dazu sollte es gar
nicht kommen.«
»Sollte«, flüsterte
der Herzog und mußte
vor Aufregung schlucken.
»Ganz ruhig, Jonathan«, mahnte seine Frau.
»Bist
du bereit?«
»Ich bin bereit, Liebste«, antwortete ihr
Mann.
Sie gelangten an eine Kreuzung, wo vier Tunnel
zusammenstießen. Passanten aus vier verschiedenen Richtungen
trafen sich an
diesem Punkt. Alfred erhaschte einen Blick auf vier Nekromanten in
schlichten
schwarzen Gewändern, die mitten auf der Kreuzung den
Verkehrsstrom dirigierten.
Plötzlich drehte Jera sich herum und setzte sich
mit allen Anzeichen der Verärgerung gegen den toten Bewacher
zur Wehr, der ihr
dichtauf folgte.
»Wenn ich es dir doch sage!« rief sie
heftig.
»Du hast einen Fehler gemacht!«
»Ja, fort mit euch!« Auch Jonathan war
stehengeblieben und hatte sich aufgebracht seinem Bewacher zugewandt.
»Wir sind
die Falschen! Könnt ihr das begreifen? Die falschen Leute!
Eure Gefangenen« –
er streckte die Hand aus – »sind in die Richtung
gegangen!«
Die Wachen blieben stehen, dicht um Alfred und
das herzogliche Paar geschart, ihren Befehlen gemäß.
Hinter ihnen stauten sich
die Passanten; die lebenden blieben stehen, um zu sehen, was vor sich
ging, die
toten waren einzig darauf bedacht zu erledigen, was immer man ihnen
aufgetragen
hatte.
Innerhalb von ein, zwei Minuten war der Verkehr
völlig zum Erliegen gekommen. Die hinteren, die nicht sehen
konnten, was weiter
vorne geschah, drängten und schoben weiter und verlangten
zornig zu wissen,
weshalb es nicht weiterging. Ein Tumult drohte auszubrechen, die
Nekromanten
wurden aufmerksam und beeilten sich,
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