Feuersteins Ersatzbuch
Falte denken kann, steht man vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Welches Muster?
Für Nichtschotten ist das Problem nicht ganz so groß, da stehen eigentlich nur die gängigen Touristenmuster zur Auswahl, Caledonian und Jacobite, rot oder grün. Für die Einheimischen hingegen ist sie schwieriger als die Wahl für Ismelda Marcos, welche Schuhe sie heute anziehen soll. Denn während Ismelda knapp 1200 Paar im Schrank stehen hatte, gibt es für den Schottenrock über 1300 Muster — Tartans genannt —, und sie alle haben ihre eigene Bedeutung. Die meisten sind den verschiedenen Clans zugeordnet, andere bestimmten Berufsgruppen. Auch die Militärs haben ihre eigene Musterung, die Adeligen sowieso, und die Königsfamilie trägt natürlich ausschließlich Royal Tartan.
Ich hatte einen Caledonian Tartan ausgewählt. Zehn Stunden nähte die Schneiderin daran. Und da ich ein komplettes Gala-Outfit bekam, blieb es nicht beim Rock. Da kamen auch noch Dinner-Jacke, Rüschenhemd, Mütze, Strümpfe und der nötige Kleinkram dazu. Als alles fertig war, sah ich aus wie ein Gott.
Ich weiß, ich habe zu Anfang des Schottlandkapitels den Kilt »peinlich« genannt, »unangenehm« noch dazu. Aber das habe ich nicht so gemeint. Das war vielmehr ein Anreißer zum Aufbau der Erwartung, Reizwörter zur Förderung der Spannung — und wie Sie sehen, hat es funktioniert: Sie lesen ja dieses Buch immer noch.
In Wahrheit ist der Kilt ein solides Kleidungsstück, praktisch für viele Gelegenheiten, die ich jetzt gar nicht zu nennen brauche, und überraschend warm noch dazu. Wer sich über ihn lustig macht, hat keine blasse Ahnung. Es ist überhaupt nichts Tuntenhaftes an ihm, im Gegenteil: Erstens sind die Kilts von Männern und Frauen verschieden gewickelt, genauso wie diese selbst; niemand käme auf die Idee, als Mann einen Frauenkilt zu tragen und umgekehrt. Und zweitens ist ein Männerkilt männlich bis zum Exhibitionismus, allein schon durch den sporran, dieses um die Hüfte hängende Futteral mit den Bommelchen dran. Früher steckte das Pimmelchen drin, heute trägt man den ledernen Schutz außen und verwahrt darin das Zweitwichtigste, was man an sich hat, nämlich Geld und Kreditkarten. Und am Strumpf der rechten Wade steckt, durch einen Zierstraps gehalten, ein Dolch. Ehemals ein echter, heute einer aus Plastik, damit man sich nicht die Krampfadern ansticht. Wenn man zu einer Hochzeitsfeier geht, nimmt man zusätzlich ein Schwert mit. Damit darf man traditionsgemäß ein Stück der Torte absäbeln oder es verteidigen, wenn es einem jemand wegnehmen will.
Mein großer Tag im Gala-Kilt kam, als ich den Clan-Chef der McLeods besuchte, auf seinem Stammsitz, der mittelalterlichen Burg Dunvegan auf der Insel Skye. Das Team war noch beim Auspacken, Stephan richtete die Kamera ein, und ich wartete abseits, im Schatten eines Baumes, auf meinen großen Auftritt.
Da fuhr ein Kleinbus mit einer amerikanischen Touristengruppe vor. Mehrere weißhaarige Damen in Shorts und Tennisschuhen liefen in freudiger Erregung mit ihren Kameras auf mich zu. Schon vier Tage seien sie jetzt im Land, jubelten sie, aber noch nie hätten sie einen richtigen Schotten im Originalkostüm gesehen. Ob sie mich fotografieren dürften?
»Natürlich«, sagte ich auf Gälisch und war stolz darauf, bald in einem Dutzend Fotoalben als würdiger Vertreter dieses wunderbaren Landes kleben zu dürfen. Damit war ich Ehrenschotte geworden. Mr McTourist, gewissermaßen.
Ich wusste genau, was als Nächstes kommen würde, aber die alten Damen drucksten eine Weile herum. Dann fasste sich eine ein Herz: »Was tragen Sie unter dem Kilt?«
»Einen Hengstschwanz«, sagte ich, wiederum auf Gälisch, denn ich wollte ja niemanden erschrecken.
EINMAL INDIEN UND ZURÜCK
Wenn man etwas ein dutzendmal gemacht hat, gilt man als Experte. Ich bin demnach ein Experte für Dosenöffnen, Blumengießen, Mittagsschläfchen, Namenvergessen, Quengeln und Zappen, um nur einige Beispiele zu nennen, sowie auf bestem Weg dahin beim Sex.
Als mich Alexander Gorkow von der >Süddeutschen Zeitung< anrief und fragte, ob ich in meiner Eigenschaft als Reiseexperte ihm ein paar Tipps geben würde, konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Die Sache sei so, sagte Gorkow (im folgenden G. genannt): Seine Frau könne sich dem Wellness-Trend nicht länger entziehen und wolle deshalb unbedingt zur ayurvedischen Kur nach Indien; er selber sei aus einer Vielzahl von Gründen nicht sonderlich scharf darauf, doch
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