Feuersteins Ersatzbuch
vergeblich sucht, finde ich langweilig. Da müsste schon mal was passieren, wie zum Beispiel in dem Bergsee von Kamerun, der mitunter riesige Gasblasen ausrülpst und Mensch und Vieh vernichtet; oder im Starnberger See, wo wenigstens König Ludwig II. ertrunken ist. Aber im Loch Ness passiert nichts.
Schon der Name ist irreführend, denn ein See, der 36 Kilometer lang, aber gerade mal tausend Meter breit ist, ist kein Loch. Schuld ist das Gälische, denn Loch, stammverwandt mit dem englischen lake, heißt nichts anderes als »See«, womit aber nicht nur ein Binnensee gemeint ist, sondern auch ein Fjord, sofern er tief genug ins Land schneidet und dadurch aussieht wie ein See. Ist der Fjord breiter, nennt man ihr Firth, was zu den herrlich klingenden Adelstiteln der südschottischen Buchten führt: Firth of Clyde oder, unser aller Liebling, Seine Hoheit der Firth of Fourth.
Wenigstens wirkt Loch Ness unheimlich. Allerdings nicht bei Sonnenschein: Da erscheint der See harmlos, lieblich und blau. Aber da dies nur selten passiert, ist er meist düster und grau. Und wenn dann gar die Wolkenfetzen über die Hänge jagen, wird er böse und schwarz. Das Wasser ist ohnehin nicht einladend, auch nicht bei Sonnenschein: Der hohe Torfgehalt verleiht ihm eine bräunlich schmutzige Farbe, Taucher sehen in der Brühe keinen Meter weit und Ertrunkene kommen nie wieder an die Oberfläche, weil sie im moorigen, klebrigen Schlick versinken, in einer Tiefe von mehr als 300 Metern.
Den ersten Bericht über Nessie gibt es aus dem Jahr 565, vom heiligen Columban, der gerade vorbeikam, als das Monster zwei Heiden fressen wollte. Den einen hatte es schon erwischt, der zweite wurde noch rechtzeitig bekehrt, und Nessie musste die Flucht ergreifen. Aber ich bezweifle, dass das so stimmt. Bei allem Respekt vor dem Heiligen: Columban war Missionar unter wilden, grimmigen Kerlen. Die kann man nicht mit Erbauungsgeschichten beeindrucken, da muss man schon vollmundig auftreten und ein bisschen übertreiben, wenn man was erreichen will — fragen Sie jeden Gewerkschafter. Wahrscheinlich wollte der fromme Mann am Seeufer einen Ungläubigen bekehren, und als sich dieser gegen den rechten Glauben wehrte und es deshalb eine Schlägerei gab, war der Heide ausgerutscht und ins Wasser gefallen; Columban hatte ihn natürlich wieder rausgezogen — Heiligkeit verpflichtet —, aber hinterher, bei jeder Nacherzählung, die Geschichte ein Stück aufgebauscht. Doch selbst wenn sie stimmt, darf man nicht vergessen, dass es damals von Ungeheuern und Drachen nur so wimmelte und der Leibhaftige persönlich ans Fenster klopfte. Da waren solche Begegnungen an der Tagesordnung, heute erleben das nur noch Esoteriker.
Was hat man nicht alles getan, um Nessie zu finden: Tauchgänge, Echolot, Radar und Wärmekameras, alles umsonst. Fallen wurden gelegt, ein spezielles U-Boot dafür gebaut, und am Südostufer hockt schon seit zehn Jahren Steve Feltham vor seinem Wohnwagen und beobachtet durch ein Fernglas den See. »Morgen kommt sie«, sagt er, ebenfalls schon seit zehn Jahren. Einmal senkte man sogar mehrere Unterwasser-Lautsprecher in die Tiefe und spielte daraus die Fünfte von Beethoven... ohne Ergebnis. Ich glaube aber, das lag an der Musik. Ein paar Takte von Patrick Lindner oder Dieter Bohlen, und Nessie wäre sofort aus dem Loch gesprungen und in den nächsten Plattenladen gestürmt, um mehr davon zu besorgen.
Loch Ness war trotzdem ein wichtiger Bestandteil unseres Films, nicht nur für die Eröffnungsszene. Denn am östlichen Rand des Sees, auf der schmalen Landbarriere, die ihn von der Meeresbucht des Moray Firth trennt, liegt die düster-stolze Stadt Inverness, das Handels- und Verwaltungszentrum der schottischen Highlands. Dort ließ mir Wolpers einen Gala-Kilt anfertigen, maßgeschneidert im Traditionshaus von Hector Rüssel, dem berühmtesten Kiltmacher von Schottland.
Damit Sie jetzt nicht in einen Sympathierausch für Wolpers verfallen: Gekauft hat ihn der Geizkragen nicht, nur anfertigen lassen, damit wir das alles drehen können, vom ersten Maßnehmen bis zum fertigen Stück. Hinterher gab er ihn wieder zurück, und inzwischen hat ihn bestimmt einer der vielen japanischen Touristen erworben, der die gleichen idealen Kleidermaße hat wie ich.
Sieben Meter Stoff braucht man für den Kilt, denn er wird in viele Falten gelegt und muss dann immer noch lang genug sein, um eineinhalbmal um die Hüfte zu reichen. Aber bevor man auch nur an eine einzige
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