Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
Vom Netzwerk:
bereitstehen.
    Keine Angst übrigens vor der blutroten Spucke in Delhi, der Sie sicher noch öfter begegnen werden. Das ist ein Endprodukt des Betelnuss-Kauens, völlig harmlos für Sie, und auch für den Kauer nur dann gefährlich, wenn in der Spucke ein paar Zähne liegen. Denn der Saft greift das Zahnfleisch an.
    Ehrlich berührt hat mich Ihre Bemerkung über den »eigentümlich wissenden Blick« der Inderinnen. Das war auch immer wieder meine Erfahrung: Dieser kurze, tiefe, durchdringende Blick aus diesen wunderschönen dunklen Augen. Und ganz bestimmt haben Sie gespürt, was er uns sagen will: »Du arrogantes, geiles, westliches Arschloch.«
    Im Übrigen können Sie mir ruhig alles erzählen, auch auf die Gefahr hin, dass ich dumme Witze darüber mache. Ich mache auch dumme Witze, wenn Sie nichts erzählen.
    Ihr Herbert Feuerstein
    PS: Schön, dass Sie an mich gedacht haben. Umgekehrt kann ich das leider nicht sagen.

    Delhi, 11. November
    Lieber Feuerstein,
    vielen Dank für Ihre prompte Antwort. Gerade wenn man einen Tag im smoggetränkten Old Delhi verbracht hat, ist es schön zu wissen, dass in der anderen großen lebensfeindlichen Stadt dieser Welt — Köln — jemand ist, der ein offenes Ohr hat.
    Dass unser Wellnessurlaub in Delhi beginnt, ist nur logisch. Wellness kann nur genießen, wer Wellness zu schätzen weiß, und nach einem Tag in Old Delhi weiß man Wellness zu schätzen. Insgesamt muss man sagen: Kinder, geht’s uns gut daheim! Sie haben Recht, wir sollten weniger jammern.
    Hier ist es in Sachen Wellness, wie erwartet, turbulent. Noch wehren wir uns prächtig, ich mit Hefetabletten, von denen ich 3X täglich 2 nehme, man weiß ja nie. Meine Frau hat eben noch eine »Aktren« eingeworfen, weil der Taxifahrer, der heute den ganzen Tag über ein ebenso rätselhafter wie zuverlässiger Begleiter durch Delhi war, notorisch die Klimaanlage bediente, anstatt sie auszuschalten. So stand sie entweder auf Freeze oder auf Hot. Jetzt hat meine Frau eine Art indische Grippe. Sie ist ziemlich krank (ich hab’s ja geahnt), das zauberhafte Personal des Grand Hyatt kam umgehend und bot uns die besten Ärzte Delhis sowie Inhalationsgeräte an.
    Noch eine Anmerkung zu unserem Taxifahrer und den Taxifahrern hier: Da Sie, lieber Feuerstein, rund zehn Jahre in New York gelebt haben, wollen Sie sicher wissen, wieso indische Taxifahrer in New York nicht Auto fahren können. Antwort: Weil sie in Delhi die Führerscheinprüfung nicht bestanden haben und auswandern mussten. Fakt ist, dass die Männer hier ihre Autos problemlos durch einen Schwarm entgegenkommender Rikschas, Schwertransporter und Kühe steuern, ohne dass die Kühe zu Schaden kommen. Ich glaube, die Taxifahrer in Delhi halten sich deshalb für Künstler und benehmen sich dementsprechend sonderbar. Unser Fahrer zum Beispiel sagte auf alles, was wir ihn fragten, etwas, das wir nicht verstanden. Zum Abschied hat er uns 100 Rupien extra berechnet, die auf Grund der steten Nutzung seiner Klimaanlage angefallen seien. Sicher werden indische Taxifahrer als deutsche Fernsehintendanten wiedergeboren.
    Andererseits, lieber Feuerstein, kommt ein reisefeindlicher Mensch wie ich nicht umhin, die Inderinnen und Inder zu loben. Gerade die engen Gassen Old Delhis sind eine Attacke auf die Sinne, aber die Menschen hier, die Reichen wie die Bettelarmen, tragen mehr Spiritualität und Weisheit im kleinen Finger mit sich herum als bei uns Kirchenoberhäupter unter ihren Kutten. Irgendwie sind hier alle netter, verspielter, gelassener als vergleichbare Kölner. Von Münchnern ganz zu schweigen.
    Das indische Verkehrsministerium rät sogar zur Meditation im Auto: Auf roten Ampeln über den Straßen in Delhi steht Relax. Wird die Ampel grün, fangen alle gleichzeitig an zu hupen und in den Gegenverkehr zu fahren. Dort hupen sie weiter, bewegen sich aber keinen Meter mehr. Wieder, lieber Feuerstein, musste ich da an Sie denken! Ich höre von Ihnen?
    Ihr G.

    Köln, 11. November
    Lieber G.,
    zunächst eine kleine Korrektur: Sie schreiben, ich hätte ein offenes Ohr. Ich habe kein offenes Ohr. Es stimmt zwar, dass ich mal ein offenes Ohr hatte, aber das ist schon lange her, und das Ohr ist inzwischen wieder verheilt. Trotzdem rührt es mich, dass Sie schon am zweiten Tag die wichtigste Frucht des Reisens genießen können: zu lernen. Die Erkenntnis angesichts von so viel Not und Elend, wie gut es uns in Deutschland geht, ist der erste Schritt. Wenn das so weitergeht, wird Ihnen

Weitere Kostenlose Bücher