Feuersturm: Roman (German Edition)
Vampire können sogar Uhrenbatterien aussaugen.«
»Was ist denn ein medialer Vampir?«, fragte Max.
»Das sind Menschen, die von den Energiefeldern anderer Leute zehren«, sagte Jules. »So was wie Blutegel.«
Anya schlang die Arme um Sparky, der sogleich behaglich an ihrem Ohr rülpste. Sie rümpfte die Nase. Sparkys Atem roch nach Schwefel. »Sparky ist kein medialer Vampir.«
»Behaupte ich ja nicht. Aber er könnte Überlebensmechanismen haben, von denen wir bisher gar nichts wissen. Ich meine, du weißt ja nicht mal genau, wo er herkommt«, gab Brian zu bedenken.
»Meine Mutter hat ihn mir geschenkt«, sagte sie trotzig. Sollte er nur weitermachen. Das war ein steiniges Terrain für Brian, und das wusste er.
»Aber wo hatte sie ihn her?« Brian zog sich einen Barhocker heran.
Anya ließ sich das Haar ins Gesicht fallen. Es reichte ihr bis zum Kinn und war damit gerade lang genug, um sich dahinter zu verstecken. »Keine Ahnung. Er war einfach immer da. Meine Mom hat mir erzählt, dass er sich immer in meinem Stubenwagen zusammengerollt hat, als ich noch ein Baby war.«
Jules, in sicherer Entfernung auf der anderen Seite des Tresens, schnaubte vernehmlich. »Und ich bin schon nervös geworden, als meine Frau nur die Katze bei unserer Tochter hat schlafen lassen …«
»Kannst du deine Mutter nicht mal nach ihm fragen?«
Anyas Kiefermuskulatur spannte sich. Dieses Terrain hatte sie in der Beziehung bisher nicht betreten. Noch nicht. »Sie, äh, sie ist nicht mehr da.«
»Oh. Tut mir leid.« Brian musterte die feuchten Abdrücke, die seine Fingerspitzen auf dem glänzenden Tresen hinterließen, und zeichnete die Umrisse seiner Hände nach.
»Nicht nötig. Das ist schon lange her.« Anya schob die Finger unter Sparkys Achseln. Brian meinte, sie würde Sparky auf vielfältige Weise als Schmusedecke benutzen. Vielleicht hatte er recht. Aber sie brauchte den kleinen Kerl. Sonst brauchte sie im Grunde niemanden – nicht die anderen DAGR-Mitglieder, nicht einmal Brian. Aber sie war bereit, sich einzugestehen, dass sie Sparky brauchte.
Ein Rollstuhl quietschte auf dem polierten Boden neben dem Tresen. Ciro, der Eigentümer des Devil’s Bathtub , rollte an die Theke heran. Sein ebenholzschwarzes Gesicht war von Sorgenfalten geprägt. In seinen runzligen Händen hielt er ein Fotoalbum. Anya fiel auf, wie sehr diese Hände zitterten, als er ihr das Album reichte, dessen nach Mottenkugeln stinkende Seiten sich öffneten wie die Schwingen eines schweren Vogels.
»Das ist Bernie.« Ciro zeigte auf den verblassten Schnappschuss von einer Gruppe Männer in karierten Hosen und Hemden mit steifem Kragen. Nach dem Schnitt der Kleidung und dem Orangestich des Bildes zu urteilen, nahm sie an, dass die Aufnahme in den Siebzigern entstanden war. Im Hintergrund war eine Bowlingbahn zu sehen. Ciros zitternde Finger zeigten auf einen Mann mit langen Koteletten und einem kunstvoll getrimmten Schnauzbart. Schon damals hatte Bernie eine Brille getragen und eine Wampe vor sich hergeschleppt.
Anyas Blick wanderte über die anderen Gesichter auf dem Foto, und sie musste grinsen, als sie einen jüngeren Ciro neben dem Ballreiniger herumlungern sah. Anya fiel die angeberische Haltung auf – damals war er ein junger Mann gewesen, dem die ganze Welt zu den in Bowlingschuhen steckenden Füßen zu liegen schien. Und der junge Ciro hatte Haare. Haufenweise. Sein Afrolook, pingelig getrimmt wie eine Formschnitthecke, sprengte schier den Aufnahmewinkel.
»Hey, damals war das modern.« Eine Mischung aus Belustigung und Stolz flackerte in den Augen des alten Mannes.
»Das ist wieder modern, Ciro.«
Ciro rieb sich verlegen den kahlen Schädel und lächelte auf die attraktive Erscheinung seines jüngeren Selbst hinab. Den Bart trug er heute noch, aber die Afromähne war längst verschwunden. »Das Rad der Zeit und das Schwinden der Follikel hält niemand auf.«
»Hast du Bernie dort kennengelernt? In einer Bowlingliga?«
»Das war nicht irgendeine Bowlingliga. Das war die Liga der gewieften Ballkünstler. Drei Jahre lang waren wir die Champions der Liga, bis das halbe Team dann nach Vietnam geschickt wurde.«
»Habt ihr nach der Rückkehr auch noch gebowlt?« Anya wusste nicht, wie sie Ciro sonst entlocken sollte, wie viele von seinen Freunden überhaupt zurückgekehrt waren.
Der alte Mann zuckte mit den Schultern. »Ein paar von uns. Dann und wann. Aber es war nicht mehr das Gleiche.« Er tippte auf das Bild von Bernie. »Bernie war
Weitere Kostenlose Bücher