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Feuersturm: Roman (German Edition)

Feuersturm: Roman (German Edition)

Titel: Feuersturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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des Raums hielt sie inne. Amphoren, Krüge und andere irdene Gefäße, dekoriert mit den immer noch dynamisch aussehenden Bildern von Männern, Frauen und Tieren, waren auf Stufen arrangiert worden. Als ihr Blick auf das Ausstellungsstück im Zentrum fiel, stockte ihr der Atem: ein Tongefäß mit zwei Henkeln, ein Pithos, beinahe eins zwanzig hoch. Der Rand war mit einem stilisierten Mäandermuster verziert. Darunter fand sich das verblasste Bild einer Frau. Anya ging um die Vitrine herum und versuchte, sich einen besseren Blick auf den Pithos zu verschaffen. Sie konnte eine Frau erkennen, die neben einem Gefäß stand, hoch aufgerichtet und stolz und wunderschön in ihrem weißen Gewand. In der nächsten Szene lagen ihre Hände auf dem Pithos. In der dritten lag der Pithos auf der Seite, und Furcht erregende schwarze Gestalten entfleuchten dem Krug und stiegen in den Himmel hinauf. Die Frau schien mit vor das Gesicht geschlagenen Hände neben ihm zu kauern.
    »Die Büchse der Pandora.«
    Anya wirbelte auf dem Absatz herum und erblickte einen Geist, der sie beobachtete. Und nicht nur irgendeinen Geist. Dieser Geist schmückte sich mit den Insignien eines römischen Kriegers: kurze Tunika, bis zu den Knien geschnürte Sandalen, rotes Pallium, Spangenpanzer und ein Helm mit Crista. Seine rechte Hand ruhte auf seinem Schwertgurt. Er war ein Prachtexemplar der Männlichkeit: muskulös, breitschultrig … die Art Mann, die eine Hauptrolle in einem Gladiatorenfilm verdient hätte.
    Automatisch rechnete Anya damit, dass Sparky dazwischengehen würde, und ihre Hand schoss an ihre Kehle. »Wer bist du?«
    »Gallus, Legionär Roms in der Reiterei der Republik.« Er blies sich auf wie ein Hahn und schenkte ihr ein listiges Lächeln, während er sie von oben bis unten musterte. »Du bist eine Frau. Das konnte ich unter dieser … Plastikrüstung zunächst nicht erkennen.«
    »Ich bin Anya.« Sie runzelte die Stirn. Es war nicht außergewöhnlich, dass Geister Museen heimsuchten. Dort gab es viele Dinge, die anziehend auf sie wirkten – Künstler wurden von ihren Skulpturen angelockt, andere Tote von Reliquienbehältern. Sogar eine Münze konnte einem ruhelosen Geist ein Zuhause nach dem Tod bieten. Aber Anya war noch nie einem alten Römer begegnet. »Ich bekämpfe Feuer.«
    »Aha. Dafür bist du etwas spät dran, fürchte ich.«
    Anya hielt eine Hand hoch. »Einen Moment mal. Woher kannst du Englisch?«
    Der Römer zuckte mit den Schultern. »Ich bin schon seit ein paar Tausend Jahren da, und die letzten Jahrhundert habe ich damit zugebracht, Touristen in Museen zu belauschen. Wenn man sich ausreichend langweilt, kann man eine Menge lernen.«
    »Klingt logisch.« Ihre Augen wanderten durch den vernebelten Raum. »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich frage, was dich hier festhält?«
    »Mein verdammter Gaul.« Gallus drehte sich um und zeigte auf eine Vitrine an der Westmauer. Anya sah eine Sammlung bronzenen Zaum- und Sattelzeugs mit einem reliefartigen Blattmuster. Einzelne Fragmente eines Rossharnischs, Geschirrteile und Sattelhörner waren um die auf der Rückwand aufgezeichneten Umrisse eines Pferdes herum arrangiert worden. »Sein Name war, was immerhin recht passend scheint, Pluto.«
    »Verstehe ich nicht. Du hängst wegen eines Pferdes hier fest?«
    Gallus nahm seinen Helm ab, und Anya erkannte, dass auf der linken Seite ein mächtiges Loch in seinem Kopf klaffte. »Pluto und ich hatten eine äußerst konfliktbehaftete Beziehung.«
    Anya nickte. »Oh.«
    Aus der Vitrine erhob sich ein Pferdekopf, und Anya wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Das Pferd sah sich mit angelegten Ohren in alle Richtungen um. Es sah wahrhaft in jeder Beziehung so aus, wie man sich ein Höllenpferd vorstellen mochte: Es war kohlrabenschwarz und bleckte die Zähne. Nun löste es sich aus der Vitrine und donnerte durch den Saal, sein Sattelzeug klimperte, und der tintenschwarze Schweif war zornig aufgerichtet.
    »Dir auch einen guten Morgen, Pluto« , blaffte Gallus hinter ihm her. Das Pferd schnaubte und schlug mit dem Schwanz, ehe es durch eine Wand verschwand.
    Gallus zuckte mit den Schultern. »Er donnert nachts durch die Gänge, nur um die anderen zu ärgern. Besonders gefällt es ihm, wenn er dabei unsichtbar ist, weil er sie dann noch besser erschrecken kann.«
    Plötzlich vermisste Anya Sparky schmerzlich. Und sie fragte sich, ob das, was sie hier erlebte, auch das war, was sie in den kommenden Jahrhunderten erwartete: in

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