Feuersturm: Roman (German Edition)
Ordnung zu verschaffen: Einkaufstüten voller Klamotten und Toilettenartikel, stapelweise Papiere von Versicherungsinstituten, die sie unterschreiben sollte. Ein paar jämmerliche Häufchen persönlicher Besitztümer, derzeit die ganze Ausbeute ihres Lebens. Aber Anya ermahnte sich, dass sie schon einmal nach einem Brand von vorn angefangen hatte. Das konnte sie wieder tun. Vielleicht.
Anya rollte sich herum und boxte ein nach Lavendel duftendes Kissen unter ihrem Kopf. Sparky grollte leise im Schlaf. Er schlief um den Molchkoffer gerollt am Fußende des Betts. In der Dunkelheit glühten die Eier wie Kohlen und verbreiteten aus dem Inneren des Beutels heraus einen güldenen Lichtschein. Sie wusste, dass die Molche nirgends besser aufgehoben waren als in Katies Haus und dass Hope vermutlich eine Weile brauchen würde, um herauszufinden, wo Anya sie hingebracht hatte. Und Katies Haus war mit machtvollen Bannen geschützt. Salzlinien säumten die Fensterbänke, Türen und Fenster wurden von winzigen Pentagrammen aus geflochtenen Weidenzweigen bewacht. Der Buchsbaum, der rund um das Haus wuchs, war mit magischem Dünger versorgt worden. Katie hatte sogar schützende Obsidiane an den am schwersten erreichbaren Zugängen des Hauses platziert: rund um den Hauptwasseranschluss und die Abflüsse und auf dem Dachboden. Das Entlüftungsrohr des Trockners war mit Salbei ausgestopft. Der Kamin wurde von einem mächtigen Gesteck aus Disteln und Knoblauch versperrt. Anya konnte sogar die ganz gewöhnliche Alltagsmagie der Hexe in dem Citrusbodenreiniger riechen. Vern und Fay schoben Wache, hüpften auf Fensterbänke, ohne das Salz zu verwischen, und zwitscherten in ihrer felinen Sprache miteinander. Für eine Hexe war dieser Ort eine Festung.
Aber Anya konnte das Gefühl, verwundbar zu sein, nicht abschütteln. Sie hatte gesehen, wozu Hope imstande war.
Über Anyas Bett wachte ein Gemälde der heiteren Göttin Guanyin über die Finsternis. Das Bild war mit Wasserfarben und Tinte gemalt worden, weich und ätherisch in grünen und pinkfarbenen Pastelltönen. Guanyin hielt eine Taube in den Händen. Die Göttin der Güte und Barmherzigkeit war das ganze Gegenteil von Ischtar. Anyas Ischtargemälde, das sie aus den Flammen gerettet hatte, stand in einer Ecke an der Wand. Etwas an Ischtars tiefem Blick wirkte tröstlich auf Anya.
Sie nagte an ihrer Lippe und dachte daran, was der verrückte alte Mann auf der Geisterparty gesagt hatte: »Du hast die Augen von Ischtar.« Sie wusste nicht recht, was das zu bedeuten hatte, aber sie fühlte sich dieser fürchterlichen Göttin des Krieges und der vernichteten Liebhaber eindeutig näher als der gütigen Guanyin.
Und durch die Augen der Ischtar … sah sie Brian. Sie wollte nicht, dass Brian geschah, was Drake zugestoßen war. Wenn sie wirklich Ähnlichkeit mit der babylonischen Göttin hatte, wie sollte sie dann Brian schützen, wie sollte sie ihn fernhalten vor dieser Tücke des Schicksals, das Drake verfolgt und umgebracht hatte. War es wirklich ihr Los, jeden zu verlieren, den sie liebte?
Anya blinzelte ihre Tränen ins Kissen. Was, wenn …? Es gab keine Antwort. Niemand schien imstande zu sein, ihr eine Antwort zu geben.
Fay trottete zur Tür herein, knurrend, und Anya saß wie der Blitz aufrecht im Bett. Die Glückskatze sprang mit aufgeplustertem Fell auf die Fensterbank und fauchte. Irgendwo in der Dunkelheit des Hauses jodelte Vern. Sparky rollte sich noch enger um seinen Eierbeutel und klammerte sich mit den Zehen fest. In der Finsternis waren seine Pupillen geweitet, die Augen rund und schwarz und kalt wie die des Mannes im Museum.
Anya kroch zum Fenster und schob den zarten Vorhang zur Seite. Fetzen von etwas Substanzlosem flatterten vorüber wie ein Kaiserfisch in einem Aquarium. Andere kamen dazu, verweilten vor dem Fenster und legten ihre Hände an das Glas.
Geister. In der brodelnden Dunkelheit konnte Anya ihre sich windenden Gestalten erkennen, als sie nach einem Weg ins Innere des Hauses suchten. Sie flatterten hinauf zum Dach, huschten um das Fundament herum, fummelten an dem Stromanschlussmasten auf dem Haus ebenso herum wie an der Gasuhr. Anya umklammerte das Fensterbrett so krampfhaft, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Hinter sich hörte sie Katies Schritte. Sie drehte sich um und sah die Hexe im Nachthemd vor sich. In der rechten Hand hielt sie eine Kerze, die nach Wachsmyrte roch. In der linken hatte sie ein Zeremonienschwert.
Es rasselte im Wohnzimmer,
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