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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Schemen war und jetzt ein realer wandelnder Körper.
    Boone wiederholte seine einladende Geste. „Bitte, nach Ihnen.“ Als Lokan sich immer noch nicht bewegte, fügte er hinzu: „Mir wäre es lieber, wenn wir uns an einem sichereren Ort weiter unterhalten könnten.“
    „Sicher.“ Lokan überlegte kurz. „Sicher für dich oder für mich?“
    „Für beide.“ Er merkte, dass Lokan ihn scharf musterte. „Na schön, vielleicht ein wenig sicherer für mich“, gestand er ein. „Es gibt nur ganz wenige, die die Dimensionen so hinbiegen können, dass sie dich zu fassen bekommen.“ Boone trat entschlossen auf Lokan zu. Dann führte er einen Handkantenschlag gegen ihn aus. Seine Hand ging durch Lokans Körper hindurch wie durch Luft, und Lokan spürte davon nicht das Geringste.
    „Es gibt nichts, was dir etwas anhaben könnte, Lokan Krayl, weil es hier nichts gibt, das dich berühren kann. Also kannst du dich genauso gut waschen, umziehen und dich satt essen, während wir ein wenig miteinander plaudern.“
    Nur zu wahr. Dennoch fiel es Lokan schwer, Vertrauen zu fassen. Das da drinnen konnte auch eine Falle sein.
    „Du erinnerst dich nicht mehr an mich, oder?“, fragte Boone.
    Lokan schüttelte den Kopf. Hatte er einmal einem nahen Verwandten oder einem Freund dieses Mannes das Herz herausgerissen? Ging es darum – um Rache? Aber das ergab überhaupt keinen Sinn. Warum sollte jemand so einen enormen Aufwandbetreiben, um ihn aus dem Totenreich hierher zu locken, nur um ihn gleich darauf zu töten und wieder dorthin zurückzuschicken?
    „Nach allem, was mir jüngst widerfahren ist, bin ich nicht so ganz auf der Höhe“, erklärte Lokan und sah den anderen dabei genauer an. Dunkles Haar, dunkle Augen, die Züge für einen Mann beinahe zu hübsch, wäre da nicht die kräftige Kinnlade, auf der der Schatten eines Dreitagebarts lag. Doch, irgendwie kam Lokan das Gesicht bekannt vor. Aber statt lange nachzugrübeln, sagte er: „Wie wär’s, wenn du mir ein wenig auf die Sprünge hilfst?“
    „Hast du es dir zur Gewohnheit gemacht, Sterbliche zu retten?“
    „Nein. Hast du es dir zur Gewohnheit gemacht, Supernaturals zu retten?“
    „Nein.“ Boone blickte zu Boden. „Aber ich habe beschlossen, bei dir eine Ausnahme zu machen, Reaper.“
    Wieder hob er den Kopf und sah Lokan mit seinen strahlend blauen Augen an. Fast unnatürlich strahlend. Augen, die eben gerade noch braun gewesen waren. Das war wie bei …
    Lokan schüttelte unwillig den Kopf. „Ich habe es geahnt. Irgendwann musste ja der Tag kommen, an dem mich die Vergangenheit einholt.“

8. KAPITEL
    Möge dir Stärke verliehen sein im Himmel, Macht auf Erden und Rechtfertigung im Reiche des Gottes. Flussabwärts reist du als lebendige Seele und flussauf wie ein Reiher. Ohne Hindernis gehst du ein und aus und durchschreitest alle Pforten des Duat . nach dem Ägyptischen Pfortenbuch
    Eisenbahnbrücke über dem Spanish River, Ontario, Kanada 21.Januar 1910
    M it dem Tod hatte Lokan gerechnet, und der Tod stellte sich auch ein. Allerdings anders als gedacht. Eigentlich war Lokan derjenige, der ihn bringen sollte, und nun hatte ein dummer Zufall ihn um seinen Lohn gebracht.
    Der Wind heulte bitterkalt und ohne Erbarmen von Norden her und schüttelte Lokan durch. Unter ihm hatte die eine Hälfte eines Eisenbahnwaggons ein gezacktes Loch in die sonst glatte Eisdecke des Spanish River geschlagen. Die andere Hälfte des Waggons hing noch in Flammen gehüllt an der Stahlkonstruktion der Brücke über dem Fluss. Schwarzer Rauch stieg in den grauen Winterhimmel dieses frühen Nachmittags.
    Wenige Augenblicke zuvor hatte Lokan noch neben den Schienen gestanden und auf den Zug gewartet. Als der kam, sprangen mit einem Mal Flammen auf, Metall kreischte auf Metall, Funken sprühten, Schreie waren zu hören. Ein Waggon der zweiten Klasse entgleiste, drehte sich zur Seite, krachte gegen einen Brückenpfeiler und zerbarst in zwei Teile. Die eine Hälfte stürzte in den Fluss hinab. Ein Erster-Klasse-Waggon folgte und schlug ebenfalls durch das dreißig Zentimeter dicke Eis, bevor er in den eisigen Fluten versank.
    Ganz hatte Lokan die Hoffnung nicht aufgegeben, seine Beute doch noch zu erwischen. Er machte einen Satz über dasBrückengeländer und schlitterte die Uferböschung hinunter. Dort allerdings musste er innehalten und einsehen, dass seine Bemühungen vergebens waren. Es war aussichtslos. Den, den er suchte, würde er nicht mehr allein zu fassen bekommen, und

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