Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
Vom Netzwerk:
Publikum konnte er nicht gebrauchen.
    Verflixt und zugenäht, dabei hätte es ein ganz einfacher Job sein können. Den Zug abwarten, aufspringen, sich Karl Gilbert Bell schnappen und sein Herz und seine Schwarze Seele ernten. Das war, was ein Reaper zu tun hatte. Und der gute Karl Gilbert hatte sich dieses Ende redlich verdient. Seit Jahren schon hatte er seine Anstellung bei der Bahn dazu missbraucht, kreuz und quer über den Kontinent zu fahren und unschuldige Frauen auszuspähen, die er dann bei passender Gelegenheit regelrecht abschlachtete. Ein Zielobjekt wie geschaffen für einen Reaper, eine Schwarze Seele, die vor Gemeinheit und Niedertracht nur so gen Himmel stank. Nun war es an der Zeit, dass Bell die Erniedrigung und das Grauen an sich selbst erfahren sollte. Er sollte bluten – und sterben.
    Sein Name stand in Sutekhs großem Buch der ihm geschuldeten Seelen, das an zentraler Stelle auf einem Pult im Audienzsaal des mächtigsten der Unterweltfürsten ruhte. Sutekh hatte Karls Namen aus der unendlich langen Liste in seinem Buch ausgewählt. Dessen Seele war pechschwarz, verdorben, ein fauliger Schleim, mit einem Wort: ein wahrer Leckerbissen für Sutekhs unstillbaren Appetit.
    Wenn Lokan von seiner Mission mit leeren Händen zurückkehrte, konnte ihn auch die Tatsache, dass er der Sohn des Wüstengottes war, nicht vor dessen Zorn bewahren. Und nach so einem Fehlschlag sah es aus, denn Karl Gilbert Bell brutzelte entweder gerade im brennenden Teil des Waggons, der an der Brücke hing, oder er lag mit der anderen Wagenhälfte am Grund des Spanish River. Von Toten die Schwarze Seele zu nehmen kam für einen Seelensammler nicht infrage. Das konnte zu reichlichem Ärger führen, da die Seele des Betreffenden möglicherweise schon einer anderen Gottheit der Unterwelt gewidmetwar, die auf so einen Eingriff in ihre Rechte sehr ungehalten reagieren konnte.
    Die Beute war futsch, Lokans Plan im Eimer.
    Das Beste wäre jetzt, den Schauplatz zu verlassen, um sich nach einer anderen Schwarzen Seele umzusehen, die er seinem Vater als Ersatz anbieten konnte. Städte wie New York City, London, Paris oder Berlin hielten immer eine hübsche Auswahl von Jagdtrophäen dieser Kategorie bereit.
    Dennoch gab es etwas, das Lokan nicht losließ. Der Winter heulte und zerrte an seinen Mantelschößen, die hinter ihm herflatterten wie die Flügel einer Krähe. Dann entdeckte er den Kopf eines Mannes, der über der Wasserfläche auftauchte. Nach Luft schnappend arbeitete sich der Kerl an den Rand des Eises heran und versuchte heraufzukriechen.
    Lokan sah ihm ungerührt dabei zu. Es lag weder in der Natur noch in der Zuständigkeit eines Seelensammlers, einem mit dem Tode ringenden Sterblichen zu helfen. Vor knapp zweihundert Jahren hatte Sutekh nach Lokan geschickt und ihn aus seiner Existenz als normaler Erdenbürger gerissen. Seitdem hatte Lokan seine Zeit an der Seite seines Vaters verbracht und dessen Befehlen gehorcht. Dazu gehörte es, Herzen, die noch schlugen, ihrer sterblichen Hülle zu entreißen und den so Getöteten die Schwarzen Seelen zu nehmen. Letztere waren es, von denen Sutekh sich ernährte. Kraftnahrung.
    Dabei war Lokan nicht ein beliebiger Seelensammler. Als Sohn des Gottes bekleidete er den Rang eines Prinzen und war zudem der zweite Mann hinter Sutekh in dessen Reich.
    Tatsächlich war es dem Schwimmer gelungen, sich zur Hälfte auf den Rand des Eises zu hieven. Während die Beine noch im Wasser hingen, lag er mit dem Oberkörper platt auf der fest gefrorenen Decke und zitterte erbärmlich.
    Wieder erfüllte ein metallisches Kreischen und Bersten von Glas die Luft. Lokan drehte sich um und sah, wie über ihm der Pullman-Waggon, der auf der Uferböschung gelandet war, abzurutschen begann, Zentimeter für Zentimeter zuerst, biser ganz den Halt verlor und immer schneller den verschneiten Abhang hinabrutschte, wobei er tiefe Spuren im Erdreich hinterließ. Wie eine groteske Bildergalerie rauschte an Lokan die Reihe der Fenster mit den in Todesangst verzerrten Gesichtern dahinter vorbei.
    Unten angekommen, schlitterte und schleuderte der Wagen übers Eis, bis er schließlich krachend in dem aus dem Fluss herausragenden Ende des Speisewagens landete und gleich darauf in den schwarzen Fluten versank, während die gellenden Hilfeschreie der Eingeschlossenen vom heulenden Wind davongetragen wurden und schließlich erstarben.
    Lokan wandte sich ab und wieder dem einsam um sein Leben Kämpfenden auf dem Eis zu. Dem Mann

Weitere Kostenlose Bücher