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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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schoss mit sengender Hitze ein Feuerstrahl aus einem der Rachen.
    In heilloser Verwirrung suchte Bryn bei sich nach dem Namen dieser Pforte oder einem Hinweis auf den Weg, den sie einschlagen mussten. Aber alles entglitt ihr. Alles schien in Nebel gehüllt, und als sich endlich eine Antwort zeigte, konnte das unmöglich die richtige sein. In die Flammen , lautete der Befehl.
    Sie war kurz davor, Lokan zu sagen, er solle zurückrudern. Es war einfach ein Gebot der Selbsterhaltung. Alles in ihr wehrte sich dagegen, sich freiwillig in das Feuer zu begeben, das sich vor ihnen entzündet hatte, das jetzt unter der Decke des Tunnels loderte und dessen Flammen auf dem Wasser tanzten. Das konnte nur der sichere Untergang sein.
    Und doch siegte ihre Bestimmung.
    „In die Flammen“, sagte sie mit einer Stimme, die nicht klang wie ihre. Es kam ihr vor, als hörte sie ihre eigenen Worte, wie sie ihr aus einem langen Tunnel entgegenhallten. Waren es überhaupt ihre eigenen Worte? Sie schienen ohne ihr Zutun aus ihrem Mund gekommen zu sein. Wie schon zuvor bei der ersten Pforte. Nur war der Eindruck dieses Mal noch stärker. Sie merkte, wie ihr das Gesicht feucht wurde, und stellte sich vor, dass ihr wieder die blutigen Tränen die Wangen herunterliefen.
    Mit fast übermenschlicher Anstrengung zwang sie sich, den Kopf zu heben und nach Lokan zu schauen. Sie sah ihn und sah ihn doch nicht. Seine Züge waren nur ganz verschwommen in einem flimmernden, golden und bronzefarben glänzenden Umriss zu erkennen. Es war die Aura seiner Seele, die sie sah. Statt der körperlichen Gestalt die Aura zu erblicken, war ihr nicht neu. Sie hatte das schon häufig erlebt, wenn sie Seelen durch die Unterwelt geleitete. Aber eine Aura wie diese war ihr noch nicht begegnet. Licht und Dunkelheit verschmolzen zu einer Farbe und einer Struktur, die beides zugleich war: schön und Furcht einflößend.
    „In die Flammen“, wiederholte sie, während sie sich zurücksinken ließ. Die Pforte erstrahlte so hell, dass sie den Anblick kaum ertragen konnte. Und da entdeckte sie, was ihrem Blick bisher verborgen geblieben war. Es war eine weitere Schlange, die aus kalten, bösen Augen ihr Nahen beobachtete, und deren riesiger Körper den Zugang zum dritten Bereich des Duat, der Unterwelt, ausfüllte. Das war das Reich des Osiris, des Königs der Toten.
    Bryn fühlte sich unendlich schwach. Ihre Glieder fühlten sichwie Gummi an, ihre Muskeln waren restlos erschlafft, sodass es sie eine unglaubliche Anstrengung und eine halbe Ewigkeit kostete, noch einmal den Kopf zu heben und den Blick nach hinten zu richten. Eine unerklärliche Furcht oder Vorahnung trieb sie dazu. Was sie dort sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Es war die Windung eines Schlangenkörpers, der gerade ins Wasser tauchte. Es war das Übel, der Terror schlechthin, schlimmer als alles, was vor ihnen lag.
    Apophis .
    Vor ihnen lag die sichere Aussicht, zu Asche zu verbrennen, von hinten drohte die Verkörperung alles Bösen, schlimmer noch als Sutekh. Aber es gab keine andere Wahl mehr, hatte vielleicht nie eine andere gegeben. Es war jetzt nur noch ihr Instinkt, der sie antrieb und ihr die Worte in den Mund legte. Eine über Jahrtausende vererbte Erinnerung sprach aus ihr.
    „Ins Feuer hinein“, sagte sie und sah Lokan bei seinen kräftigen Ruderschlägen zu, sah, wie seine Muskeln sich anspannten. „Die Flammen werden die Kräfte neu beleben. Die Flammen werden die Kräfte neu entfachen. Und der Gott wird wieder auf Erden wandeln.“
    Die schwefligen Dünste wurden dichter. Jetzt stachen sie nicht mehr allein in die Nase, sondern auch in die Augen. Der Geschmack von Schwefel legte sich selbst auf die Zunge.
    Mit einem Mal bemerkte sie, dass Lokan rückwärtspaddelte, weg von der Pforte und den Feuer speienden Schlangen. Er traute ihr nicht, und sie dachte, dass er wahrscheinlich niemandem traute, nicht einmal sich selbst.
    „Ins Feuer“, wiederholte sie, und wieder kam ihre Stimme aus einem Teil von ihr, der ihr selbst unbekannt war. „Durch die Pforte des Apepi.“
    Sie wollte ihn ansprechen, bitten, dass er ihr vertraute, ihm sagen, dass sie weiter voranmüssten. Sie wollte ihn bitten, ihr zuzuhören, wie er ihr in der Vergangenheit zugehört hatte. Aber all das blieb ihr im Hals stecken. Das Einzige, was sie herausbrachte, war wieder und wieder der Name.
    Erneut öffneten die Schlangen ihre Rachen und schleuderten einen Feuerstrahl heraus, der den ganzen Raum ausfüllte und

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