Feuersuende
sind eine zuverlässige Kraftquelle. Sie wirken sehr schnell.“
Sie nickte zustimmend, wenn auch nicht gerade enthusiastisch.
Nach einer Weile fragte er dann: „Wir lange weißt du es schon?“
„Weiß ich was?“
„Dass ich kein Sterblicher bin.“
Für den Bruchteil einer Sekunde wich sie seinem Blick aus, aber es genügte, ihm zu zeigen, dass sie ihm mit ihrer Antwort ausweichen würde. Wieder nur Lügen und Halbwahrheiten. Das traf ihn empfindlich. Er war so schockiert gewesen, sie hier zu sehen, dass er diesen Aspekt ihrer gemeinsamen Vergangenheit, an dem er ja genauso beteiligt war wie sie, ganz ausgeblendet hatte.
„Aber sag jetzt bitte die Wahrheit“, ermahnte er sie, indem er die dunklen Erinnerungen und Gefühle unterdrückte. Spätestens jetzt, in ihrer Lage hier, sollten sie anfangen, ehrlich zueinander zu sein. „Wir haben uns gegenseitig schon so viel Lügen erzählt, dass man damit den Weg zur Hölle pflastern könnte, meinst du nicht?“
Sie biss ein Stück von dem Lolli ab, und er konnte hören, wie sie die harte Zuckermasse zwischen den Zähnen zermalmte.
„Ich wusste es von dem Augenblick an, in dem ich dich zum ersten Mal gesehen hatte“, antwortete sie endlich. „Eigentlich schon vorher, denn ich hatte mir diesen Klub ausgesucht, weil Jack häufiger dort hinging und ich wusste, dass man, wo er abhängt, sicherlich auch weitere Supernaturals trifft. Ich habe darauf gezählt, dass wenigstens einer davon männlich sein würde. Und siehe da – da warst du. Ich hatte dich schon beim Hereinkommen wahrgenommen.“
Die Bilder dieser Nacht zogen an ihm vorbei wie bei einem Diavortrag. „Soll das heißen, dass es auch jeder beliebige andere Supernatural hätte sein können?“
Gedankenverloren lutschte Bryn an ihrem Lolli, zog ihn zwischen den Lippen hin und her, leckte ihn mit der Zunge ab, was dazu führte, dass Lokan die Bilder jener ersten Nachtimmer lebendiger in Erinnerung kamen. Wie sie in der Dusche vor ihm gekniet hatte. Dieselben Bewegungen, dasselbe leise Geräusch.
Er zog den Rucksack zu sich heran und nestelte ausgiebig an einer Reißverschlusstasche herum, weil er das nicht länger mit ansehen konnte, ohne komplett aus der Fassung zu geraten. Er war jetzt schon hart wie Stahl.
„Das ist ja sehr schmeichelhaft“, kommentierte er ihr bejahendes Nicken. Du siehst gut aus, auch wenn das in diesem Fall keine Rolle spielt . Dieser Satz, den sie gleich zu Anfang ihrer Bekanntschaft gesagt hatte, fiel ihm wieder ein. Damals hatte er dieser Bemerkung nicht viel Gewicht beigemessen. Jetzt wusste er, dass er es hätte tun sollen. „Willst du mir nicht wenigstens jetzt erzählen, was damals eigentlich gespielt wurde? Worum ging es in dieser Nacht, als wir uns kennenlernten? Du hast nach einem Supernatural Ausschau gehalten, mit dem du …“
Sie zuckte zusammen, und Lokan tat es im selben Moment leid. Er hätte es so nicht sagen sollen.
„Wo ist denn dein diplomatisches Feingefühl geblieben?“, fragte sie.
Endlich schob sie sich den vermaledeiten Lutscher ganz in den Mund. Er starrte sie eine Weile an, bis er merkte, dass sie ihn dabei beobachtete. Zwei senkrechte Falten standen zwischen ihren zusammengezogenen Augenbrauen. Für eine Sekunde dachte Lokan, sie hätte seine Gedanken erraten. Aber der fragende Ausdruck auf ihrem Gesicht sprach dagegen. Nein, sie hatte keine Ahnung. Keine Ahnung von dem Verlangen, das er nach ihr verspürte. Und das war auch besser so.
„Wenn ich es recht verstehe“, sagte Lokan nun deutlich milder, „ging es dir um Sex an jenem Abend. Aber es musste ein Supernatural sein. Kannst du mir verraten, warum?“
„Nein, das kann ich nicht. Und das will ich auch nicht. Aus dem einfachen Grund, weil ich nicht lügen will. Und die Wahrheit wirst du von mir darüber nicht erfahren. Jedenfalls jetzt noch nicht. Lass es uns dabei belassen, was ich dir schon darübergesagt habe. Was ich dir ehrlich beantworten kann, will ich dir sagen. Aber keine Lügen mehr, Lokan. Von keinem von uns.“
Darauf schwang sie die Beine wieder über ihre Sitzbank und drehte ihm den Rücken zu. Netter Abgang, das musste man ihr lassen. Hätte er seine Sinne beisammen und wären die nicht von Gefühlen benebelt, die er gar nicht zulassen durfte, wäre ihm sicherlich eine angemessene Antwort darauf eingefallen. So unternahm er nur einen letzten, etwas lahmen Versuch: „Du sagtest, jetzt noch nicht . Heißt das, dass du es mir später erzählst?“
Die einzige Antwort,
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