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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Mal, dann tauchte der Kopf einer Schlange auf und schnappte ihn sich.
    „Oh“, stieß Bryn leise hervor. Sie war schreckensbleich. Lokan konnte es ihr nicht verdenken. Die Schlange war groß genug, um sie beide mitsamt Boot zu verschlingen.
    „Es hat bei dir nie einen anderen Mann gegeben“, bemerkte er und richtete dabei den Blick unverwandt auf den Fluss. Denn wenn er sie angesehen hätte, hätte er sie auf der Stelle an sich gepresst und sie leidenschaftlich geküsst, ihr unmissverständlich gezeigt, dass er sie wollte. „In all diesen Jahren hattest du keine einzige Verabredung mit jemandem.“
    „Was …?“ Sie lachte laut auf, aber es klang reichlich unecht. Dann seufzte sie, weil sie sich selbst ertappt hatte, Theater zu spielen, und sagte sachlich: „Nein, es gab keinen.“ Er hob einen weiteren Stein auf, den er dann übers Wasser hüpfen ließ. Wieder tauchte eine Schlange auf, die ihn auffing und verschluckte. „Und warum grinst du dabei so selbstzufrieden?“
    „Weil ich mich irgendwie selbstzufrieden fühle.“
    Beinahe hätte sie sich verschluckt. Ihre Abwehrschilde ließen sie für einen Moment im Stich, als sie ihn erstaunt und sichtlich überrascht ansah. Und noch ein anderer Ausdruck lag in ihrer Miene, etwas, das er nicht so richtig deuten konnte. Eine Art Bedauern vielleicht, dachte er. Gleich darauf war sie wieder so verschlossen wie zuvor. Er hatte das schon häufiger bei ihr erlebt. Sie machte dieses Gesicht jedes Mal, wenn sie ihn in die Schranken weisen wollte, um ihm mitzuteilen, dass es ein Tabu für ihn gab, dass sie dieses Tabu war.
    Abgesehen von ihrer gemeinsamen Liebe zu ihrer Tochter und der gemeinsamen Fürsorge war ihr Verhältnis bei näherer Betrachtung immer oberflächlich geblieben. Ihm kam das erst jetzt richtig zu Bewusstsein. War er so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er das nie bemerkt hatte? Er schämte sich bei diesem Gedanken.
    Behutsam hob er die Hand und zog ihr das Haarband heraus, sodass ihr schönes dunkles Haar über ihre Schultern fiel.
    „Weißt du noch, wie ich das zum ersten Mal gemacht habe?“,fragte er. Seine leise Stimme klang beinahe ein wenig melancholisch.
    „Ja.“ Ohne sich dessen bewusst zu sein, fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe.
    „Und weißt du noch, was ich dazu gesagt habe?“
    „Dass es so hübscher aussieht.“
    „Das stimmt auch.“
    Er beugte sich zu ihr. Sie wich mit dem Kopf zurück. Er kam ihr noch ein Stück näher. Dieses Mal verharrte sie unbeweglich. Sie zitterte am ganzen Körper. Er genoss den Duft ihrer Haut und ihres Haars und sog ihn tief ein. Sie rührte sich noch immer nicht. Sie wagte nicht einmal zu atmen.
    „Bitte.“
    Gern hätte er dieses eine Wort von ihr so verstanden, dass sie ihn bat, sie endlich zu küssen. Die Wahrheit war, dass sie darum bat, Abstand zu halten, und das wusste er auch. Aber er wollte es nicht. Ihre Lippen waren nur einen Fingerbreit auseinander, und alles in ihm drängte darauf, diese letzte winzige Distanz zu überwinden und Bryn zu küssen. Aber er spürte, wie sie ihn wortlos anflehte, von ihr abzulassen. Und so gab er nach und wich zurück. Er sah noch ein Flackern und so etwas wie Trauer in ihren Augen. Im nächsten Moment war auch das verschwunden.
    „Wir müssen hier weg“, sagte sie. „Nur darum geht es jetzt.“
    „Na schön. Aber wenn wir hier herauskommen, Bryn, haben wir einige Dinge zu klären. Ich habe immer geglaubt, dass du eine Sterbliche bist, und da ich nicht sterblich bin, sah ich damals keine Chance für uns.“
    „Es gibt noch immer keine Chance. Nicht die geringste.“
    „Und warum machst du dann so ein trauriges Gesicht, wenn du das sagst?“
    „Ich …“ Sie kniff die Lippen zusammen und gab einen verzweifelten Laut von sich. Dann wandte sie den Blick dem Fluss zu und betrachtete die Flammen, die weiter hinten loderten. „Wir sollten jetzt aufbrechen.“
    Sie hatte recht. Sie mussten weiterkommen. Je früher sie sich wieder auf den Weg machten, desto eher kamen sie – vielleicht – an Osiris vorbei.
    Lokan hielt das Boot fest, während sie einstieg, und kam dann hinterher. Mit harten Ruderschlägen setzte er ihre Barke in Bewegung.
    „Was weißt du über die nächste Pforte?“
    „Wer sie durchquert, wird gerichtet“, antwortete sie in sachlichem Ton. „Die Flammen prüfen die Seele, suchen nach Flecken darauf und verzehren diejenige, die unrein ist.“
    Gerichtet werden – das war nichts Neues für Lokan.

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