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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Jetzt stellte sich die Situation allerdings anders dar, ganz anders. Er legte sein Paddel weg und rutschte zu ihr nach vorne. Mit der Hand an ihrem Arm hinderte er sie daran weiterzurudern. Erstaunt drehte sie sich zu ihm um.
    „Aber du bist doch geschützt, nicht wahr? Wenn du eine Führerin der Seelen bist, unterliegst du doch nicht diesen Regeln. Du bringst mich hin und stehst lediglich dabei, während ich dieser Prüfung unterzogen werde, stimmt’s?“
    „Die Begleiter der Seelen sind im Allgemeinen geschützt.“
    Ihm genügte diese Antwort nicht. Sie war nicht eindeutig, und das alarmierte ihn. „Bryn, unterliegen die Walker der Prüfung oder nicht?“
    „In der Regel nicht.“
    Er fluchte. „Aber was wir hier veranstalten, ist nicht die Regel, oder?“
    Sie zögerte mit der Antwort, und er wusste sofort, dass sie nicht mit der Sprache herauswollte.
    „Oder?“
    „Nein. Denn normalerweise geleite ich eine Seele in die Unterwelt hinein und nicht hinaus, und das macht den Unterschied. Der Preis dafür ist, dass mich dasselbe erwartet wie dich. Mich trifft dasselbe Urteil wie dich.“
    „Dasselbe Urteil? Du meinst, dass die Reinheit – oder vielleicht auch Unreinheit – meiner Seele über dein Schicksalentscheidet?“ Es fehlte nicht viel daran, dass er in Panik geriet. Er war sich sicher, dass ihre Seele unbefleckt war. Sie würde, wenn es danach ginge, unbeschadet die Flammen durchqueren. Von sich konnte er das nicht behaupten. Das war nicht so tragisch, wenn es um ihn allein ging. Es würde schmerzhaft werden, aber mit den Schmerzen wurde er schon fertig. Seine Heilkräfte waren stark genug, um es durchzustehen. Aber ihre waren es nicht.
    Dass sie für seine Taten einstehen sollte und brennen musste, sollte er nicht bestehen, konnte er nicht zulassen. „Sag mir bitte, dass du allein nach deinen eigenen Verdiensten beurteilt wirst.“
    „Ich …“
    Lokan verstärkte seinen Griff, als sie sich von ihm abwenden wollte. Bryn schaute auf seine Hand hinunter. Er merkte, wie sich ihre Muskeln anspannten.
    „Bryn …“ Er wollte noch mehr sagen, aber er fand nicht die richtigen Worte. Ausgerechnet er fand keine passenden Worte. Er, der versierte Verhandlungsführer, wusste weder genau, was er sagen sollte, noch, wie er es sagen sollte. Irgendwie war er nicht mehr derselbe, und daraus, was mit ihm passiert war, wurde er noch immer nicht schlau.
    Er hatte nicht das Recht, sie in seinen Sumpf hineinzuziehen. Schlimm genug, dass sie sich in Gefahr gebracht hatte, indem sie hier aufgetaucht war, um nach ihm zu sehen, und ihre gemeinsame Tochter dafür allein lassen musste. Und er durfte es nicht noch schlimmer machen, indem er seinen ganzen Mist an Gefühlen auf sie ablud. In den kurzen Augenblicken, in denen sie vergaß, sich hinter ihrem heruntergelassenen Visier zu verstecken, sprach jetzt schon ein ungeheurer Schmerz aus ihren Blicken.
    Inzwischen waren sie der Pforte näher gekommen. Dahinter waren die Schreie der Verdammten zu hören, die in den Flammen gefangen waren, und das machte es in diesem Augenblick schwierig, ihr sein Herz auszuschütten. So sagte er nichts, als sie sich abwandte, und konnte nur hoffen, dass sie den Durchgang durch diese Pforte bewältigten und er Gelegenheit hatte, ihr zu sagen …
    Ja, was eigentlich zu sagen? Er wusste es selbst nicht.
    „Denkst du, bei diesem Trip geht es allein um dich?“ Bryn musste ihre Stimme erheben, damit er sie hinten verstand.
    „Nein. Es geht genauso um dich. Und um Dana.“
    „Das ist nicht alles. Osiris gestattet dir, die zwölf Pforten zu passieren. Er macht dir den Weg nach draußen frei. Was glaubst du, was das auslöst? Er nimmt ein großes Risiko auf sich. Wenn Sutekh sich nun herausgefordert fühlt und …“
    „Wird er nicht“, unterbrach Lokan sie. „Sutekh hat seine Karte ausgespielt. Er wollte meine Seele aus dem Weg räumen, um sich meines Körpers zu bemächtigen.“
    Ein Aufschrei ließ sie für einen Moment verstummen. Bryn schauderte es. „Warum hat er ausgerechnet dich ausgesucht? Er hätte doch einen Sterblichen oder irgendeinen Supernatural nehmen können. Wieso dich?“
    „Das habe ich mich auch schon gefragt, und ich denke, ich weiß die Antwort. Ein Sterblicher hätte seinen Zwecken nicht genügt. Wenn es ihm gelungen wäre, die sterbliche Seele auszulöschen, und er sich im Besitz des Körpers befinden würde, hätte er immer noch das Problem, als Gott in einer Hülle zu stecken, die altert und schließlich stirbt.

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