Feuertanz
er war fest entschlossen, auf keinerlei Rechte zu verzichten, was sie betraf. Auf mein Anraten hin heuerte er Antonio Bonetti an, einen der besten Anwälte Schwedens, der meines Wissens immer noch in Göteborg tätig ist.
Zwischen Angelicas und Ernsts Anwälten entbrannte ein erbitterter Streit. Sie behauptete, nicht verstanden zu haben, worum es ging, als Ernst sie vor der Eheschließung » zwang « , mittels ihrer Unterschrift in die Gütertrennung einzuwilligen. Sie forderte die Hälfte von Ernsts gesamtem Besitz. Als Gegenleistung könne sie sich vorstellen, Ernst das alleinige Sorgerecht für Sophie zu überlassen. Vielleicht wäre Ernst sogar willens gewesen, ihren Wünschen stattzugeben, aber sein Anwalt Bonetti blieb eisern. Er machte Angelicas Forderungen zunichte und vertrat die Ansicht, Kinder hätten immer ein Anrecht auf beide Elternteile. Das Gericht erkannte auf gemeinsames Sorgerecht, und Angelica ging finanziell leer aus. Sie war außer sich, konnte aber nichts unternehmen.
Mehrere Jahre lang funktionierte trotzdem alles recht gut. Angelica und ihr neuer Mann wohnten in der Linnégatan. Von dort brauchte Sophie mit der Straßenbahn nur wenige Minuten, um zu Ernst in Änggården zu gelangen. Die Probleme begannen, nachdem dieser Loser Eriksson das Geld der Familie verspielt hatte. Sie waren gezwungen, die Wohnung aufzugeben und in ein kleines Haus mitten im Nichts zu ziehen, ein sozialer Absturz. Sophie musste die Schule wechseln, das gemeinsame Sorgerecht blieb auf der Strecke. Sie konnte nicht wie bisher jede zweite Woche bei Ernst wohnen, da sie es von dort nicht rechtzeitig in die Schule schaffte. Das löste man so, dass sie praktisch jedes Wochenende bei ihm verbrachte. So ging es mehr schlecht als recht bis zu jenem unglückseligen Brand 1989.
Ich kann mich immer noch an Ernsts Worte erinnern, als er mich anrief. Ohne seinen Namen zu nennen, sagte er: » Die glauben, sie sei es gewesen! «
Zuerst begriff ich gar nicht, von wem der Anruf kam. Die Stimme klang schwach und zittrig und ähnelte gar nicht seiner sonst so ruhigen Stimme.
» Wovon redest du? « , fragte ich.
» Die Polizei! Sie glauben, Sophie habe das Haus angezündet. Vorsätzlich! «
Er war so außer sich, dass seine Stimme versagte.
Nachdem ich ihn beruhigt hatte, gelang es mir, ihm zu entlocken, was passiert war. Diesen Teil der Geschichte kennen Sie sicher viel besser als ich. Laut Ernst war Sophie wiederholte Male zum Verhör ins Polizeipräsidium zitiert worden. Angelica war dabei zugegen gewesen und offenbar auch jemand von der Kinderpsychiatrie. Der verzweifelte Ernst hatte zum ersten Mal seit der Scheidung ein längeres Gespräch mit seiner Exfrau geführt. Laut ihrer Aussage war das Verhör des Mädchens auf den Umstand zurückzuführen, dass es zu brennen begonnen hatte, kurz nachdem sie das Haus verlassen hatte. Sophie hatte sich jedoch geweigert, auch nur ein Wort darüber zu sagen. Ernst gegenüber soll sie geäußert haben, sie habe das Haus nicht angezündet.
Einige Wochen später zog Sophie zu Ernst und wechselte die Schule. Jedes zweite Wochenende war sie bei Angelica und Frej. Anfänglich widersetzte sich Angelica, aber nach einer Weile merkte sie, dass ihr das Arrangement sehr gut passte. Sophie verursachte ihr keine Kosten mehr, denn Ernst kam für alles auf. Nach einem Jahr schien sich ihr Verhältnis sogar verbessert zu haben, da sie sich ja beide für den Tanz interessierten.
Ich traf Ernst und Sophie nur sporadisch, manchmal vergingen ein oder zwei Jahre zwischen den Besuchen. Auch die Telefonate wurden seltener, was wohl vor allem daran lag, dass Ernst kein so großes Bedürfnis mehr hatte, mit mir zu sprechen. Die Gesellschaft Sophies genügte ihm. Und dann gab es da ja immer noch Frauen in seinem Leben. Er hatte ein paar längere Verhältnisse, lebte aber nie wieder mit jemandem zusammen. Frau Larsson kümmerte sich um das Haus und Sophie. Das scheint sehr gut funktioniert zu haben.
Es war ein schwerer Schlag für Sophie, als sie erfuhr, dass Ernst an Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium litt. Nach langem Zögern erklärte er sich mit einer Operation einverstanden, widersetzte sich aber jeglicher Bestrahlung und Chemotherapie. » Ich weiß, dass es sowieso bald aus ist. Was soll also die unnötige Quälerei « , sagte er zu mir.
Die Operation verlief gut, aber Ernst konnte sich nie mit dem künstlichen Darmausgang abfinden. Er fand es eklig, den Darm in eine Plastiktüte entleeren zu müssen.
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