Feuertanz
Einzimmerwohnung in Kortedala keinen Platz gab. Bekanntlich muss ja der Berg zum Propheten kommen, wenn der Prophet nicht zum Berg kommen kann.
» Ich muss doch arbeiten « , erklärte Ernst und konnte Angelicas Wutausbrüche überhaupt nicht verstehen. Ihr missfiel das Arrangement sehr, sie konnte aber keine Lösung für das Problem finden.
Seltsamerweise machte ihm Anna-Greta nie Vorwürfe, wenn er dort war. Im Gegenteil, sie wirkte ruhiger und gelassener. Ernst und sie sprachen nicht viel miteinander, aber gelegentlich kam sie zu ihm ins Zimmer, wenn er arbeitete, und setzte sich auf einen Stuhl neben der Tür. Dort saß sie dann stundenlang schweigend, ohne dass es Ernst im Geringsten gestört hätte. Wahrscheinlich schlief sie gelegentlich ein, aber für sie war die Hauptsache, dass er in ihrer Nähe war. Ernst und ich sprachen manchmal am Telefon darüber, und er sagte dann immer, er sei dankbar, dass sie keinen Streit anfinge.
Das tat jedoch Angelica. Sie genoss die Aufmerksamkeit der Skandalblätter unendlich und nutzte sie maximal aus, um bekannt zu werden. Recht bald wurde immer deutlicher, dass sie viel zu jung und unintellektuell war, um sich auf einen so komplizierten Menschen wie Ernst zu verstehen. Obwohl er eigentlich ein recht einfacher Mensch war; solange er sich nur mit seiner Musik beschäftigen durfte, war er vollkommen zufrieden. Mit Angelicas Begeisterung für Feste und Geselligkeit konnte er nichts anfangen. Bereits einige Monate vor der Geburt des Kindes fiel mir auf, dass er immer mehr Zeit in seinem alten Zuhause verbrachte. Er rief immer nur bei mir an, wenn er sich in Änggården aufhielt Dort befand er sich auch an jenem Februarabend 1978, als Angelica ihn anrief und mitteilte, es sei Zeit, in die Entbindungsstation zu fahren. Da Kortedala geographisch zum Östlichen Krankenhaus gehörte, verabschiedete sich Ernst von Anna-Greta und stieg in die Straßenbahn, um die einstündige Fahrt dorthin anzutreten. Viele Jahre später erzählte er mir, Anna-Greta habe ihn mit einem hellwachen Blick angesehen, als er ihr erklärte, wohin er unterwegs sei.
» Jetzt ist es also soweit « , hatte sie deutlich gesagt. Ernst hatte natürlich angenommen, sie rede von der Geburt des Kindes, und nervös bejaht. Später hatte er dann eingesehen, dass sie von ihrem Selbstmord gesprochen hatte.
Während Sophie zur Welt kam, starb Anna-Greta. Sie schluckte eine Unzahl von Tabletten, spülte sie mit Wodka hinunter und zog sich eine große Plastiktüte über den Kopf. Der Tod trat sicher rasch und schmerzlos ein. Sie entschlummerte einfach, ein Umstand, den ich Ernst in den folgenden Tagen mehrfach verdeutlichte. Er betrauerte den Tod Anna-Gretas ungemein, obwohl er offenbar nicht sonderlich von Schuldgefühlen heimgesucht wurde. » Anna-Greta wählte die Flucht in die Tabletten und den Alkohol, nicht ich « , sagte er immer.
Die Trauer um Anna-Greta mischte sich mit der Freude über Sophie. Er freute sich wirklich über seine Tochter, und sein Verhältnis zu Angelica schien sich nach Anna-Gretas Tod zu verbessern.
Seltsamerweise hatten Ernst und Anna-Greta nie über Scheidung gesprochen. Sie hatte kein Testament gemacht, und als ihr Witwer erbte Ernst alles. Von neuem wurde er sehr kritisiert. Man warf ihm vor, für den Tod seiner Frau verantwortlich zu sein. Ich stimmte Ernst zu, als er sagte: » Anna-Greta hat Selbstmord begangen, und zwar fünfzehn Jahre lang. « Ich bestärkte ihn also in seinem Entschluss, das Erbe anzutreten.
Auch Angelica redete ihm gut zu, denn plötzlich witterte sie mit ihrem süßen Näschen eine Menge Geld. Sie hatte keinerlei Bedenken, in das Haus in Änggården einzuziehen und Frau Malmborg Nummer zwei zu werden. Die hatte jedoch Ernst. Obwohl er vollkommen weltfremd wirken konnte, war er nicht dumm. Er hatte in Bezug auf Angelica allmählich einiges begriffen. Um seiner geliebten Tochter willen ließ er sich auf eine Hochzeit ein, aber erst, nachdem er mit Angelica Gütertrennung vereinbart hatte.
Noch bevor Sophie ein Jahr alt war, gab es eheliche Probleme. Ernst erfuhr, dass ihn Angelica mit einem Franzosen, der ebenfalls Tänzer war, betrogen hatte. Sie bestritt dies beharrlich, aber Ernst glaubte ihr nicht. Er hatte eingesehen, dass auf sie kein Verlass war.
Etwa ein halbes Jahr später traf sie dieses Weichei Magnus Eriksson und forderte die Scheidung. Ernst erzählte mir, er habe vor allem Erleichterung empfunden. Natürlich tat es ihm wegen Sophie sehr Leid, aber
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