Feuertanz
mein Vater rieb sich die Hände. Als Zeitungsmann war ihm klar, dass die Hauptmeldung für sein Blatt praktisch vor seiner Haustür lag.
Anna-Greta Lidman war über dreißig, als sie sich kennen lernten, sah aber bedeutend jünger aus. Es hieß oft, dass sie an eine Mischung aus Doris Day und Brigitte Bardot erinnere. Und ihre schauspielerische Leistung konnte sich laut Expertise mit der Ingrid Bergmans messen. Zu Beginn ihrer Karriere hatte man sie als » Schwedens Busen Nummer eins « bezeichnet, aber recht bald hatte sich gezeigt, dass das blonde Busenwunder auch eine begnadete Schauspielerin war. Sie spielte in einigen Filmen des Regisseurs Ingmar Bergman mit, und so war ihr Ruhm perfekt. In den Fünfzigern und Sechzigern war sie in vielen Filmen dabei, die fast alle zu Klassikern geworden sind.
Ernst und Anna-Greta lernten sich bei der Premiere eines Filmes kennen, den die Geschichte der Cineastik inzwischen vergessen hat. Es handelte sich um eine konfuse Low-budget-Produktion, die von Salvador Dalís und Luis Bunuels » Der andalusische Hund « beeinflusst war. Anna-Greta hatte eine kleine Rolle, die sie » aus alter Freundschaft « übernommen hatte – sie war mit dem Regisseur gut befreundet –, und Ernst hatte natürlich die Filmmusik komponiert.
Im Jahre 1958 feierten sie in der Stockholmer Riddarholms-Kirche im Kreis der Familie, der schwedischen Kulturelite und der versammelten Weltpresse eine Riesenhochzeit. Ernst war in seinem Frack so elegant, dass die Damen fast in Ohnmacht fielen, und Anna-Gretas Dekolleté zeigte eine entsprechende Wirkung auf die Männer. Oder jedenfalls etwas in dieser Art …
Beim Hochzeitsdiner trank die Braut zu viel Champagner und enthüllte, schwanger zu sein. Die Weltpresse geriet außer sich vor Freude!
Die Hochzeitsreise führte nach Italien, und die Verwandtschaft konnte das Glück der jungen Leute in den Reportagen der Zeitschriften verfolgen. Auf diesem Weg erfuhren wir auch, dass Anna-Greta mit akuten Blutungen in eine Klinik in Rom eingeliefert worden war. Nach einigen Tagen erfolgte die knappe Mitteilung, sie habe eine Fehlgeburt erlitten.
Auf diese erste Fehlgeburt folgten recht bald zwei weitere. Anschließend teilten die Ärzte Anna-Greta mit, sie dürfe nicht mehr schwanger werden. Die letzte Fehlgeburt in recht fortgeschrittener Schwangerschaft hatte sie fast das Leben gekostet.
Anna-Greta drehte ein paar Filme in Frankreich und Italien. Ernst komponierte fleißig und erlangte in einem auserwählten Kreis von Musikkennern Kultstatus. Es wirkte geradezu ideal, dass beide ihre eigene Karriere verfolgen konnten, ohne in einem Konkurrenzverhältnis zu stehen. Ernst äußerte sich nie über seine Ehe, aber innerhalb der Familie gab es eine Menge Gerüchte. Nach außen hin wirkte ihr Leben harmonisch, und in den ersten zehn Jahren deutete nichts auf größere Krisen hin.
Mein Cousin verdiente fast nichts mit seiner Musik, aber Anna-Greta erhielt große Gagen für ihre Rollen. Die Finanzen waren gut, insbesondere da Anna-Greta schon vorher nicht ganz mittellos gewesen war. Sie entstammte einer wohlhabenden Göteborger Familie und war ein Einzelkind. Erstaunlicherweise hatten ihre Eltern sie bei ihren Plänen, Schauspielerin zu werden, unterstützt. Sie hatten ihr Schauspiel-, Gesang- und Ballettausbildung bezahlt. Außerdem war sie sehr sprachbegabt und hatte ein humanistisches Abitur. Sie bekam sofort einen Platz an Kalle Flygares Schauspielschule in Stockholm. Von der Fortsetzung ihrer erfolgreichen Karriere habe ich bereits erzählt.
Aber Mitte der siebziger Jahre ereignete sich, was alle Sexsymbole früher oder später ereilt. Sie wurde älter, und man sah es. Ihre Kinderlosigkeit machte ihr wahrscheinlich schwer zu schaffen, und es hieß, sie suche immer öfter Trost in der Flasche. Leider entsprachen diese Gerüchte der Wahrheit. Ihr zunehmender Alkoholkonsum hinterließ deutliche Spuren. Obwohl sie nach wie vor eine gute Schauspielerin war, erhielt sie immer weniger Filmangebote. In dieser Zeit starben kurz nacheinander ihre Eltern. Die darauf folgende Depression war so schwer, dass sie in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden musste.
Nach ihrer Entlassung beschloss sie, wieder in ihr Elternhaus in Göteborg zu ziehen. Zum großen Erstaunen der ganzen Familie willigte Ernst ein. Offen gestanden blieb ihm wohl keine andere Wahl. Ohne Anna-Greta hätte er ohne Geld und Dach über dem Kopf dagestanden oder zu Elsy und seinem senilen Vater ziehen
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