Feuertanz
müssen. Hilding starb ein paar Jahre später, und ich meine mich zu erinnern, dass Ernst bei jener Gelegenheit zum ersten Mal seit seinem Umzug nach Göteborg wieder nach Stockholm kam. Ich erinnere mich auch, dass er berichtete, mit seinem Leben in dem großen Haus in Änggården zufrieden zu sein. Er verfüge dort über ein ganzes Stockwerk mit verschiedenen Musikzimmern. Eines dieser Zimmer nehme der Konzertflügel in einsamer Majestät ein. Das größte Zimmer habe er als Aufnahmestudio eingerichtet.
Einige Monate nach Hildings Beerdigung hielt ich mich in Göteborg auf und nutzte die Gelegenheit zu einem Besuch bei ihnen. Was Ernst über die Musiketage erzählt hatte, stimmte. Leider stimmte auch das Gerücht über Anna-Gretas mentalen und körperlichen Verfall. Es war tragisch zu sehen, wie sich der gefeierte Star innerhalb weniger Jahre in ein menschliches Wrack verwandelt hatte. Die Regenbogenpresse wusste jedoch nichts von ihrem missglückten Versuch, sich liften zu lassen. Die Operationswunden hatten sich entzündet, und außerdem hatte sie eine bleibende Nervenschädigung davongetragen. Die Infektion hatte hässliche Narben hinterlassen, und infolge des verletzten Nervs hingen die eine Wange und ein Mundwinkel schlaff herab. Wenn sie aß oder trank, lief immer wieder ein wenig aus dem gefühllosen Mundwinkel heraus. Sie sprach undeutlich, was natürlich für sie als Schauspielerin katastrophal war. Der Schönheitschirurg zählte zu den bekanntesten seines Fachs in Stockholm und hatte Anna-Greta ein riesiges Schmerzensgeld bezahlt, damit sie ihn nicht verklagte. Aber was half das, wenn die Reste ihrer Schönheit für alle Zeiten dahin waren.
Den größten Teil des Tages verbrachte sie in einem von Medikamenten erzeugten Dämmerzustand. War sie wach, versuchte sie so schnell wie möglich, den Nebel wiederherzustellen. Als ich sie traf, war Anna-Greta tief deprimiert Ernst war wie immer. Er widmete sich der Musik und stellte auf Anraten meiner Schwester Bettan eine Haushälterin ein, die sich um das Haus kümmerte und kochte. Sie hieß immer nur » Frau Larsson « und besaß, soweit ich weiß, keinen Vornamen. Sie war eine Perle und kümmerte sich um Ernst bis zu seinem Tod im Jahre 2002. Erst als er starb, ging sie in Rente. Da muss sie schon fast siebzig gewesen sein.
Im Jahr 1977 schlug die Bombe ein; Ernst hatte eine Zwanzigjährige kennen gelernt – eine Balletttänzerin! –, und sie war von ihm schwanger! Ich befand mich gerade in einer ernsten Midlife-Krise und war vielleicht der Einzige in der Familie, der ihn teilweise verstehen konnte. Als ich Fotos von der schönen Angelica sah, wurde mir das Ganze nur noch begreiflicher. Ich hatte Anna-Greta seit fast sieben Jahren nicht mehr getroffen, aber wenn ich daran dachte, in welchem traurigen Zustand sie sich bei unserer letzten Begegnung befunden hatte, gab ich mich keinen Illusionen hin, wie es jetzt um sie bestellt sein musste. Cousin Ernst hatte offenbar die Nase voll gehabt und eingesehen, dass das Leben zu kurz war, um die Jahre einfach verstreichen zu lassen. Der Versuch, Anna-Greta aufzurichten, war zum Scheitern verurteilt. Der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden, dass er es vermutlich nie versucht hat, das war einfach nicht seine Art. Ernst lebte immer in seiner eigenen Welt und für seine Musik und eignete sich nicht zum Therapeuten für eine tablettensüchtige Person mit psychischen Problemen.
Damals hatten Ernst und ich regelmäßigeren Kontakt. Meist rief ich ihn an, aber gelegentlich griff auch er zum Hörer, was früher nie vorgekommen war. Ich befand mich mitten in einer unerfreulichen Scheidung, und wir benötigten vermutlich beide den Beistand des anderen. Da Anna-Greta so krank war – was nicht unbedingt besser wurde, als sie erfuhr, dass Angelica schwanger war –, musste sich Ernst allerhand Kritik gefallen lassen. Aber ich glaube tatsächlich, dass Ernst zum ersten Mal in seinem fünfzigjährigen Leben richtig verliebt war. Alle Vorwürfe prallten an ihm ab, und sein Beschluss, mit Angelica zusammenzuleben, war unumstößlich. Aber ganz wie es seine Art war, richtete er sein Leben seinen Vorstellungen gemäß ein.
Er war zu Angelica in ihre kleine Wohnung in Kortedala gezogen. Jeden Morgen stand er um sechs auf, frühstückte und nahm die Straßenbahn. Wie alle anderen Malmborgs hatte er nie einen Führerschein gemacht. Er fuhr nach Änggården und verbrachte den Tag an seinem geliebten Flügel, für den es in der
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