Feuertanz
Bühnenflüstern: »Jetzt gibt’s Haue!«
Mit einem hämischen Grinsen verließ er das Konferenzzimmer.
»Eines schönen Tages drehe ich diesem Drecksack noch den Hals um!«, zischte Irene, aber so leise, dass nur Tommy, der neben ihr saß, es hören konnte.
Dieser nickte nachdenklich, ehe er entgegnete: »Yes. An welchem Plätzchen wollen wir ihn denn vergraben?«
Den Freitagnachmittag verbrachte Irene damit, einen Bericht über das folgenschwere Kaffeetrinken bei Ingrid Hagberg zu schreiben. Anschließend wollte sie die Rapporte über die Verhöre von Milans weiblicher Verwandtschaft verfassen. Es würde spät werden, ehe sie Feierabend machen und das Wochenende beginnen konnte. Vor einigen Tagen hatte sie ihrer Mutter versprochen, mit ihr zum Friedhof zu fahren und eine Kerze auf dem Grab anzuzünden. »Einmal im Jahr kannst du Papa besuchen. Wenigstens an Allerheiligen«, hatte ihre Mutter Gerd gesagt. Irene hatte bereits am Vormittag gesehen, dass sie es wieder nicht schaffen würde. Nach diversen Versuchen hatte sie endlich Krister auf seinem Handy erreicht, der versprochen hatte, seine Schwiegermutter vor dem Mittagessen zum Friedhof zu fahren. Er würde am Abend arbeiten, hatte dann aber das Wochenende ganz frei.
Am Donnerstag hatte sie recht viel Zeit am Telefon verbracht. Angelica war nicht sonderlich entrüstet gewesen, sondern hatte sich Irenes Erklärungen, wie es zu den Vorfällen bei Ingrid Hagberg gekommen war, fast geistesabwesend angehört. Frej hingegen hatte einige Male von Polizeifaschismus gesprochen, und das war alles andere als erfreulich gewesen. Verglichen mit der Krankenschwester, die wahrlich kein Blatt vor den Mund genommen hatte, war sein Kommentar jedoch geradezu milde ausgefallen.
Irene hatte während des Gesprächs mit ihrem Chef nicht viel zu ihrer Verteidigung vorbringen können. Sie hatte auch nicht den Eindruck gehabt, dass es die richtige Gelegenheit gewesen wäre, ihm von dem Kaffeetrinken vor fünfzehn Jahren in Ingrid Hagbergs Küche zu erzählen. Also hielt sie an ihrer Erklärung fest, sie habe der einsamen alten Frau mit dem Gebäck eine Freude bereiten wollen. Andersson hatte nur verächtlich geschnaubt und ihr unverblümt mitgeteilt, was er von solchen Ideen hielt.
Anschließend war er zu Irenes Erleichterung auf den Bandenmord zu sprechen gekommen. Er hatte entschieden, dass sie und Birgitta Milans weibliche Verwandten, die in der Mordnacht an dem Ramadanfest teilgenommen hatten, ein weiteres Mal vernehmen sollten. Die Männer wurden von Hannu und Jonny verhört. Fredrik Stridh musste sich um eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Jungen kümmern, die am Vortag auf ihrem Tisch gelandet war. Die Sache hatte Vorrang, da es sich um einen Trainer handelte und die Jungen zwischen acht und zehn Jahre alt waren. Die Zeitungen hatten schon Wind davon bekommen, und alle Schlagzeilen handelten von dem »Pädophilen-Coach«.
Am Freitagvormittag begaben sich Irene und Birgitta in Begleitung einer Dolmetscherin zu den Mietskasernen in Hammarkullen.
Milans Verwandte waren bosnische Moslems. Er war zusammen mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern vor dem Balkankrieg nach Schweden geflohen. Zwei Brüder der Mutter mit Anhang hatten sie begleitet. Die Onkel hatten einen Gemüseladen aufgemacht, der nach einigen Jahren richtig gut lief. Allem Anschein nach waren sie ehrliche und hart arbeitende Geschäftsleute. Leider würden sie bei dem zu erwartenden Prozess wahrscheinlich wegen Meineides verurteilt werden, worauf man sie auch hingewiesen hatte. Beide waren hinter ihren üppigen Schnurrbärten erblasst, hatten aber an ihrer Aussage festgehalten, ebenso die Frauen.
Milan war im Alter von zwölf in seine neue Heimat gekommen. Seine Mitschüler hatten Angst vor ihm gehabt, da er stark war und leicht mal aggressiv wurde. Rasch hatte er sich »Respekt« verschafft. Seine Lehrer fanden ihn begabt, aber flegelhaft. Die letzten Schuljahre hatte er meist geschwänzt.
Es hatte mit kleineren Diebstählen und Vandalismus begonnen, aber recht bald waren Milan und seine Freunde zu richtigen Dealern geworden und hatten zum ersten Mal in ihrem Leben Geld gehabt. Milan war listig und fix. Die Arbeit lag ihm. Sie war einträglich, aufregend und verschaffte ihm Respekt.
Seit einigen Jahren war er eine der Schlüsselfiguren des Drogenhandels in Göteborg. Das war schnell gegangen, denn er hatte während einer längeren Gefängnisstrafe gute Kontakte geknüpft. Acht
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