Feuertanz
ganze Straße entlang, und sie musste eine ganze Weile suchen, bis sie mehrere Straßen weiter einen freien Parkplatz fand. Bevor sie aus dem Auto stieg, nahm sie ihre Taschenlampe aus dem Handschuhfach und steckte sie in die Innentasche ihrer Jacke. Als sie auf das Haus zuging, hörte sie schon die Musik auf voller Lautstärke. Je näher sie kam, desto deutlicher waren Stimmen zu vernehmen. Erstaunt stellte sie fest, dass jede Menge Fahrräder aller erdenklichen Modelle an der Mauer lehnten.
Das Tor stand weit offen, und Irene blieb im Schutz der Garage stehen, um sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen.
Was immer sie erwartet hatte, so war es nicht dieser Anblick gewesen. Das ganze Haus war hell erleuchtet, und brennende Partyfackeln flankierten den Weg zur Haustür. Die Musik dröhnte, und aus den offenen Fenstern und Türen drangen Gesprächsfetzen und Gelächter.
In Sophies Haus wurde gefeiert.
Es war nicht nur die feuchte Kälte, die Irene erschauern ließ. Sie hatte das Gefühl, als würde Sophies Andenken ausgerechnet an Allerheiligen besudelt. Ihr Begräbnis hatte noch nicht einmal stattgefunden, und trotzdem wurde bereits in ihrem Hause gefeiert.
Irene musste sich ermahnen, sich zusammenzureißen, und verbot sich jedwede sentimentale Gedanken. Konnte sie die Lage dazu ausnutzen, in den Keller zu gelangen? Die Antwort lautete unbedingt ja. Vielleicht würde sich nie wieder eine bessere Gelegenheit bieten.
Sie knöpfte ihre Jacke auf und begann unbeschwert den glatten Plattenweg entlang zu schlendern. Durch die offene Haustür waren sehr viele Menschen in der großen Diele zu sehen. Die meisten hatten sich verkleidet und waren als Vampire oder Hexen geschminkt. Als sie über die Schwelle trat, hob sie den Blick, lächelte freudig und tat so, als würde sie jemanden am anderen Ende des Raums begrüßen. Ein paar jüngere Hexen bei der Garderobe warfen ihr einen zerstreuten Blick zu. Dann bewegten sie sich Richtung Küche.
Irene erkannte ihre Chance und ergriff sie. Mit der Hand hinter dem Rücken drückte sie die Klinke der Kellertür hinunter und glitt rasch rückwärts durch den Spalt. Vorsichtig schloss sie die Tür und lauschte dann mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit. Nach einigen Minuten atmete sie auf und knipste ihre Taschenlampe an.
Sie versuchte sich so leise wie möglich zu bewegen und sich nicht schmutzig zu machen. Die Stimmen und die Musik waren hier unten schwächer. Aber über ihrem Kopf knarrten die alten Dielen bedenklich unter den Schritten. Überall war es unbeschreiblich staubig und schmutzig. Der Kellergeruch verschlug Irene fast den Atem.
Methodisch begann sie mit ihrer Suche, aber ohne so recht zu wissen, wonach sie suchte. Alles konnte ihr einen Hinweis darauf liefern, was Sophie zugestoßen war. Vielleicht wollte sie auch einfach erst einmal ausschließen, dass Sophie in diesem Keller gefangen gehalten worden war.
In einem großen Raum standen alte Möbel und Kartons in wildem Durcheinander. Zwischen dem Gerümpel war kaum Platz, und die Pappkartons standen aufeinander gestapelt. Über dem Ganzen schwebte ein durchdringender Geruch von Mäusedreck. Unzählige Generationen von Spinnen hatten ihre Netze über das Inventar des Raumes gelegt, der dadurch aussah wie die Kulisse eines Horrorfilms.
Die Waschküche war offenbar schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Die Maschinen waren altmodisch, und aus dem Abfluss roch es verschimmelt. Neben der Waschküche gab es eine Tür, die sich von den anderen unterschied. Sie bestand aus Kieferbrettern. Auf einem Schild stand »Sauna« mit handgeschnitzten Buchstaben. Es gab noch eine weitere beschilderte Tür. Auf dieser stand »WC«. Irene schloss sie rasch wieder. Der Gestank war ekelhaft. Stattdessen öffnete sie die Tür der Sauna und trat ein.
Im Lichtkegel ihrer Taschenlampe tauchte ein recht großer Raum mit grauem Klinkerboden und weiß gekachelten Wänden auf. In einer Ecke befand sich eine Dusche. Die Wand zur eigentlichen Sauna war aus Holz und wies eine Tür mit einem kleinen Fenster in der Mitte auf. Irene trat auf das Fenster zu und leuchtete hinein.
Fast hätte sie laut aufgeschrien. Im Schein der Taschenlampe sah sie auf der Saunabank ein Kleiderbündel, bei dem es sich ohne Zweifel um ein menschliches Wesen handelte. Ihr Herz brachte das Adrenalin mit einer solchen Geschwindigkeit in Umlauf, dass es ihr in den Ohren rauschte. Sie verharrte einen Moment lang mit der Hand auf dem Türgriff und atmete
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