Feuertanz
wie eine Spionin. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass das, was sie gerade gesehen hatte, alles nur noch komplizierter machte. War es für die Mordermittlung von Bedeutung? Sophie hatte schließlich keinen Hehl daraus gemacht, dass sie sich von Marcelo angezogen fühlte und sogar ein paar unbeholfene Annäherungsversuche unternommen hatte. Handelte es sich um ein Eifersuchtsdrama? Bei näherem Nachdenken schien dies recht unwahrscheinlich, denn dann hätte Sophie ihre Mutter ermorden müssen und nicht umgekehrt. Nichts deutete darauf hin, dass Sophie und Marcelo eine sexuelle Beziehung gehabt hatten. Und seit wann waren Angelica und Marcelo intim? Wollte sie nicht überhaupt mit dem älteren und wohlhabenden Staffan Östberg zusammenziehen?
Irene unternahm einen weiteren Versuch, sich weiträumig um das Haus herumzuschleichen. Dieses Mal kam sie fast bis zum Tor. Als sie gerade auf den Bürgersteig entwischen wollte, hörte sie hinter sich eine Stimme: »Aber Mama! Was machst du denn hier?«
Es war Katarinas Stimme. Irene drehte sich um und dachte fieberhaft nach. Als sie dem fragenden Blick ihrer Tochter begegnete, hatte sie bereits ein Lächeln aufgesetzt.
»Da bist du ja endlich! Ich habe dich nirgends gesehen und dachte, ihr wärt noch nicht da«, sagte sie und nickte jetzt auch Felipe fröhlich zu.
»Du hast nach mir gesucht?«, fragte Katarina.
»Ja. Aber ich wollte nicht reingehen … schließlich bin ich nicht eingeladen. Ich habe durch die Tür und die Fenster geschaut, konnte dich aber nicht finden. Aber da drin sind so viele Leute.«
»Was wolltest du denn von mir?«
»Ich muss mir deinen Haustürschlüssel borgen. Ich habe meinen zu Hause vergessen.«
»Aber Jenny wollte doch heute Abend zu Hause bleiben …«
»Ich weiß. Aber ich habe Überstunden gemacht, und es war schon halb zehn, als ich endlich vom Präsidium weggekommen bin. Wir sind gerade dabei, die große Ermittlung über den Tod dieses Burschen, der vor zwei Wochen beim Hauptbahnhof erstochen wurde, abzuschließen. Im Auto fiel mir auf, dass ich zwar den Autoschlüssel, aber keinen Hausschlüssel bei mir habe. Ich hab Jenny auf ihrem Handy angerufen, aber sie ist nicht rangegangen. Bei Papa war es dasselbe. Wahrscheinlich haben sie heute Abend im Glady’s sehr viel zu tun. Da fiel mir ein, dass du von einer Party hier gesprochen hast, und … tja, ich dachte, vielleicht habe ich Glück und erwische dich hier.«
Katarina warf ihr einen langen Blick zu, sagte aber nichts. Irene hatte das deutliche Gefühl, dass ihre Tochter ihre Lüge durchschaute, aber im Beisein Felipes nichts sagen wollte. Obwohl Irene bei der Arbeit gelegentlich auf Lügen zurückgriff, die sie vorzugsweise als Notlügen bezeichnete, hatte sie ihre Töchter bisher noch nie angelogen. Sie hatte auch jetzt kein gutes Gefühl dabei, aber die Not kannte kein Gesetz. Sie konnte einfach nicht erzählen, dass sie ohne Erlaubnis in den Keller eingedrungen war.
Katarina begann in ihrer Handtasche herumzukramen. Während sie nach ihrem Schlüsselring suchte, kam jemand die Straße entlang, den Irene kannte. Mit raschen Schritten ging Frej auf sie zu. Er blieb stehen und begrüßte sie. Obwohl er unter einer Straßenlaterne stand, war es unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Der breite Schirm seiner Basecap beschattete sein Gesicht. Dann stellte er Irene die nahe liegende Frage: »Was machen Sie hier?«
Rasch wiederholte sie die Geschichte von dem vergessenen Hausschlüssel, und es schien, als glaube ihr Frej. Er deutete mit dem Kopf zum Haus hinüber und sagte, ohne seine Bitterkeit verbergen zu wollen: »Die ist wirklich nicht bei Trost.«
Allen war klar, dass er seine Mutter meinte.
»Ich veranstalte immer eine Halloweenparty. Und dieses Jahr ist keine Ausnahme. Und zwar Sophie zu Ehren. Ihr Feuertanz ist so gelobt worden«, rief er plötzlich mit hoher Stimme.
Es war unheimlich, wie täuschend echt er Angelica imitierte. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sie sich genau so ausgedrückt hatte. Schweigend standen sie da und betrachteten das hell erleuchtete Haus. Frej räusperte sich und sagte: »Wollt ihr nicht mit reinkommen? Mir ist wohler, wenn ich nicht allein bin.«
»Okay«, meinte Felipe und lächelte seinem Freund zu.
Sie verabschiedeten sich von Irene und drehten sich um. Felipe legte Katarina den Arm um die Schultern, und sie folgten Frej. Gemeinsam traten sie ins Haus und waren rasch in der Menge der Feiernden verschwunden.
Irene blieb
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