Feuertaufe
gründlicher Blick. Was er für den rettenden Wald gehalten hatte, war eine auf sie zukommende Masse von Reiterei, die wie eine Welle anwuchs.
»Halt, Rittersporn!«, schrie er, worauf er sich zu der im Galopp heranpreschenden Patrouille umwandte und durchdringend auf den Fingern pfiff. »Nilfgaard!«, brüllte er, was die Lunge hergab. »Nilfgaard greift an! Ins Lager! Zurück ins Lager, Dummkopf! Alarm geben! Nilfgaard!«
Der vorderste Reiter der sie verfolgenden Patrouille riss das Pferd zurück, schaute in die ihm gewiesene Richtung, schrie entsetzt auf und wollte das Pferd wenden. Doch Geralt war der Ansicht, er habe auch so schon genug für die cintrischen Löwen und die temerischen Lilien getan. Er sprang den Soldaten an und warf ihn mit einem geschickten Ruck aus dem Sattel.
»Spring auf, Rittersporn! Und halt dich fest!«
Dem Dichter brauchte man das nicht zweimal zu sagen. Das Pferd sackte unter dem Gewicht eines zusätzlichen Reiters leicht in die Knie, doch von zwei Paar Fersen angetrieben, ging es zu scharfem Galopp über. Die in riesigen Scharen herannahenden Nilfgaarder bildeten jetzt eine viel größere Gefahr als Vissegerd und sein Korps, also galoppierten die beiden den Ring der Lagerposten entlang und versuchten, so schnell wie möglich aus der Linie des Zusammenpralls beider Heere zu entkommen, der jeden Augenblick erfolgen konnte. Die Nilfgaarder waren jedoch nahe und bemerkten sie. Rittersporn schrie auf, Geralt schaute hinter sich und bemerkte ebenfalls, wie die dunkle Wand der Nilfgaarder Abteilung in ihre Richtung schwarze Fangarme von Verfolgern auszustrekken begann. Ohne zu zögern, lenkte er das Pferd zum Lager hin, überholte im Galopp fliehende Wachposten. Rittersporn schrie abermals auf, diesmal aber unnötigerweise. Der Hexer sah die vom Lager her auf sie zuflutende Reiterei ebenso gut. Das alarmierte Korps Vissegerds war bewundernswert schnell aufgesessen. Geralt und Rittersporn aber befanden sich mitten zwischen den Fronten.
Es gab keinen Ausweg. Der Hexer änderte abermals die Fluchtrichtung, presste aus dem Pferd alles heraus, was an Galopp möglich war, und versuchte, aus der sich gefährlich verengenden Lücke zwischen Hammer und Amboss zu entschlüpfen. Als eine Hoffnung aufschimmerte, es könnte doch noch gelingen, war die Nachtluft plötzlich von einem singenden Geräusch erfüllt, wie es die Flugfedern von Pfeilen machen. Rittersporn schrie auf, diesmal wirklich laut, krallte Geralt die Finger in die Seiten. Der Hexer fühlte, wie ihm etwas Warmes auf den Hals rann.
»Halte durch!« Er packte den Dichter am Ellenbogen und zog ihn kräftig an seinen Rücken heran. »Halte durch, Rittersporn!«
»Sie haben mich umgebracht!«, heulte der Dichter auf, für einen Umgebrachten ziemlich laut. »Ich blute! Ich sterbe!« »Halte durch!«
Der Hagel von Pfeilen und Bolzen, mit dem die beiden Armeen einander überschütteten und der sich für Rittersporn als so fatal erwiesen hatte, war zugleich ihre Rettung. Die beschossenen Truppen drängten sich zusammen und verloren den Schwung, und die Lücke zwischen den Fronten, die sich jeden Moment schließen musste, blieb lange genug offen, dass das schwer schnaubende Pferd beide Reiter aus der Falle trug. Geralt zwang den Hengst gnadenlos zum Weitergaloppieren, denn zwar winkte vor ihnen der rettende Wald, doch hinter ihnen klang Hufschlag. Das Pferd stöhnte, strauchelte, lief aber weiter, und vielleicht wären sie entkommen, doch Rittersporn stöhnte plötzlich auf und sackte hinten mit einem Ruck nach unten, womit er auch den Hexer aus dem Sattel riss. Geralt zog unwillkürlich die Zügel an, das Pferd bäumte sich auf, und beide stürzten zwischen niedrigen Kiefernbäumen zu Boden. Der Dichter fiel kraftlos hin und stand nicht auf, stöhnte nur durchdringend. Eine ganze Seite seines Kopfes und die linke Schulter waren voll Blut, das im Mondlicht schwarz glänzte.
Hinter ihnen trafen die Armeen mit Getöse, Geklirr und Geschrei aufeinander. Doch trotz der tobenden Schlacht hatten die Nilfgaarder Verfolger sie nicht vergessen. Drei Reiter galoppierten auf sie zu.
Der Hexer sprang auf, spürte, wie in ihm eine Welle von Wut und Hass anwuchs. Er lief den Verfolgern entgegen, lenkte sie von Rittersporn ab. Doch nein, er wollte sich nicht für den Freund aufopfern. Er wollte töten.
Der erste Reiter, der weit vor den anderen anlangte, stürmte mit erhobener Axt auf ihn zu, konnte jedoch nicht ahnen, dass er es mit einem Hexer zu tun
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