Feuerteufel: Roman (German Edition)
Seite des Bettes, den Kopfhörer im Ohr. Es war fast Mitternacht und ganz still im Haus, abgesehen von ihren eigenen, monotonen Sätzen, die im Raum standen.
»Das wird schon alles, warte mal ab«, sagte Petter am anderen Ende.
»Das hoffe ich. Man kriegt hier schon sehr früh seinen Stempel aufgedrückt, weißt du?«
»Wie meinst du das?«
Auf der anderen Seite war zu hören, wie eine Lampe ausgeschaltet wurde.
»Man ist das Kind seiner Eltern und das Enkelkind seiner Großeltern, man hat von Anfang an diesen Stempel. Verstehst du?«
»Aber das ist ja nicht nur schlecht. Die Leute kennen sich eben.«
»Nein, schon klar. Oft ist das gut. Und wenn man den Ruf hat, ein Supertalent im Sport zu sein oder wie der Teufel Querflöte zu spielen, dann ist das toll. Sein Talent an einem kleineren Ort pflegen zu können ist gut, man wird gesehen. Aber du kannst auch in dem Ruf stehen, dumm, faul, spießig, hässlich, langweilig oder was auch immer zu sein, und den Stempel hast du dann für alle Zeit.«
»Ja, stimmt«, gab Petter zu.
Magdalena drehte sich auf die andere Seite und schob das Kabel übers Ohr. »So wie bei Christer«, sagte sie.
»Christer?«
»Ja, Christer Berglund. Den habe ich neulich im Fernsehen gesehen, und zwar richtig gesehen . Ich kriegte es fast ein bisschen mit der Angst zu tun, als ich bemerkte, wie gut er aussieht.«
»Sollte ich jetzt eifersüchtig sein?«, lachte Petter.
»Nein, natürlich nicht«, beruhigte Magdalena ihn. »Aber verstehst du, was ich meine? Er sieht gut aus, ist nett, tüchtig, hat einen guten Job …«
»Jetzt werde ich doch eifersüchtig.«
»… und trotzdem hat er diese Spießerrolle abgekriegt. Bis dahin habe ich immer nur den rundlichen Vierzehnjährigen gesehen, der ständig die Jeans zu hoch gezogen hatte, und ich glaube, das haben viele gemacht. Warum sollte er sonst immer und ewig Single sein?«
Es wurde still. Sie lauschte eine Weile auf Petters Atem, hörte, wie er sich im Bett umdrehte.
»Wenn Nils jetzt in der falschen Rolle gelandet ist und gezwungen wird, jemand zu sein, der er gar nicht sein will?«
»Das wird schon werden, Magda. Wir schaffen das zusammen. Nicht du allein, sondern wir. Wir.«
»Du fehlst mir«, flüsterte sie.
»Sag ich doch, wir sollten zusammenziehen.«
Magdalena schlief ein, noch ehe sie den Kopfhörer aus dem Ohr nehmen konnte.
»Wie fühlen Sie sich?«
(Schweigen.)
»Nicht gut?«
»Nein.«
»Können Sie darüber reden?«
»Weiß nicht. Sehe keinen Sinn darin.«
»Darüber zu reden?«
»Ja. Ich begreife nicht, was das besser machen soll. Reden, reden, reden. Das führt doch zu nichts. Nichts wird besser.«
»Es kann eine Weile dauern.«
»Klar, trotzdem. Ich bin das alles so furchtbar leid. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Warum sollte ich weitermachen?«
»Sie haben es sich mit der ECT anders überlegt.«
»Das kommt mir so grausam vor, ich weiß nicht. Wenn man dann ein ganz anderer wird.«
»Diese Wunden, die Sie da auf den Händen haben, sehen gar nicht gut aus.«
»Als ob das eine Rolle spielen würde, ein paar kleine Brandwunden.«
»Das wird hässliche Narben geben. Es ist wirklich nicht gut, dass Sie das machen.«
»Besser ich verletze mich selbst als jemand anders.«
»Natürlich, aber …«
(Schweigen.)
»Was denken Sie jetzt?«
»Das wollen Sie lieber nicht wissen.«
14
Kjell-Ove schob mit der einen Hand den leeren Kinderwagen und hielt Tindra an der anderen. Inzwischen hatte die Kleine nur noch selten die Ruhe, still im Wagen zu sitzen. Alles wollte sie selbst machen: sich anziehen, die Klettverschlüsse der Schuhe zumachen, laufen. Und da es heute keine Termine einzuhalten gab, ließ er sich ganz auf ihr Tempo ein und ließ sie bestimmen.
Langsam marschierten sie durch das Wohngebiet. Es roch nach Äpfeln und Laub. Das Värmlandsbladet lag zusammengefaltet im Netz am Kinderwagen. Es hatte gut ausgesehen, fand er. Und offensichtlich nahm die Polizei Mirjams Postkarte auch ernst.
»Mieze schau«, sagte Tindra und zeigte auf eine schwarze Katze, die am Rinnstein anspaziert kam.
»Ja, hast du gesehen«, ergänzte Kjell-Ove.
Als die Katze näher kam, blieb Tindra stehen und streckte die Hand aus. Das Tier ließ sich streicheln und rieb seine Stirn an Tindras Bein. Kjell-Ove streichelte sie auch ein wenig und strich mit den Fingerspitzen über die weichen Ohren.
»Sollen wir jetzt nach Hause zu Mama gehen?«
Tindra schüttelte den Kopf.
»Aber sie wartet
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