Feuerteufel: Roman (German Edition)
passiert ist«, sagte Petra. »Kann man ja auch verstehen.«
Damals, als die Tochter der Losjös an Neujahr verschwunden war, hatten die Birken an der Straße kahle, eisige Äste gehabt, die wie Glas geglitzert hatten. Jetzt ging das Laub langsam in ein schwaches Orange über.
»Vielleicht sollte man hier auf dem Land wohnen«, sagte Lasse, »wenn die Kinder ausgezogen sind und nicht mehr überall hingefahren werden müssen.«
Petra sah ihn erstaunt an.
»Hättest du dazu Lust?«
»Ja, warum nicht?«
In dem Moment klingelte das Handy in Petras Hosentasche. Nicht jetzt! Als sie es endlich rausgeholt hatte, schien sie alle Energie zu verlassen.
»Es ist Munther«, sagte sie und seufzte. »Ich will nicht.«
»Dann geh nicht ran«, sagte Lasse.
»Doch, ich muss.«
Munther klang eifrig. Thorbjörn Hermansson war bei seiner Mutter in Karlstad aufgetaucht und würde in zwanzig Minuten mit einem Streifenwagen in Hagfors ankommen.
»Ich hätte gern, dass du bei dem Verhör dabei bist, denn du hast ja schon mal mit ihm gesprochen.«
»Christer hatte viel mehr Kontakt zu ihm als ich.«
Ich will nicht. Sonst immer, aber nicht gerade heute.
»Ja, ich weiß«, sagte Munther, »aber ich kann ihn nicht erreichen.«
Christer war doch sonst immer erreichbar. Warum hatte sie sich nur gemeldet. Wie idiotisch!
»Okay, dann komme ich«, sagte sie.
Lasse sah sie enttäuscht an.
»Auf dich kann man sich wirklich verlassen, Wilander«, sagte Munther.
Petra drückte das Gespräch weg und ließ die Hand sinken.
»Scheiße«, sagte sie. »Ich muss zur Arbeit. Scheiße.«
Als Christer an Geijersholm vorbei war, wechselte er in den fünften Gang und drehte die Stereoanlage lauter. Janis Joplins Stimme dröhnte in seinem Kopf.
Arbeit ist nicht alles im Leben.
Er genoss das Autofahren. Die gelben Blätter des Birkendickichts glitzerten im Straßengraben zwischen den Nadelbäumen, am Himmel standen kleine, dünne Wolkenschäfchen.
Er drehte die Musik noch lauter.
»I want you to come on, come on, come on. Come on and take it. Take another little piece of my heart now, baby ….«
Nach Gumhöjden verlief der Weg gerade zwischen Sümpfen und Kahlschlägen. Er hatte die neuen Jeans und ein gestreiftes T-Shirt angezogen. Rasierwasser. Vielleicht hätte er ein Geschenk mitnehmen sollen. Eine Blume. Nein, das wäre zu aufgesetzt gewesen. Er sollte so kommen, wie er war.
Christer erinnerte sich nicht mehr, wann er das letzte Mal in Lesjöfors gewesen war. Das war kein Ort, an dem er sonst vorbeikam, weder dienstlich noch in der Freizeit. An einem kalten Winterabend irgendwann Ende der Siebzigerjahre hatte er mit Bengt hierher zum Bandy fahren dürfen, doch erinnerte er sich an nicht viel mehr als den Duft von heißen Würstchen und wie es juckte und kribbelte, als auf dem Heimweg im Auto die Zehen auftauten.
Christer verlangsamte die Fahrt, als er an dem ehrgeizigen Willkommensschild am Wegesrand vorbeikam.
Auf der linken Seite eine aufgegebene Tankstelle, rechts der Bandy-Sportplatz. Von der rot gestrichenen Fassade des Folkets hus blätterte die Farbe, und dahinter begann die Ladenzeile, mit heruntergezogenen Jalousien vor jedem Schaufenster.
Er sah auf die Uhr. Eine Viertelstunde zu früh.
Um die Zeit totzuschlagen, fuhr er die Hauptstraße weiter nach Süden, an einem kleinen Coop, einem Frisiersalon, einem Kiosk mit Würstchenbude und noch mehr leeren Schaufenstern vorbei. An der linken Straßenseite stand ein völlig leer stehendes Bürogebäude, auf dessen Parkplatz dicke Grasbüschel aus dem Asphalt wuchsen.
Christer schauderte es. Es war, als würde man durch eine Geisterstadt fahren.
Als er an einer weiteren aufgegebenen Tankstelle und einer Kunststofffabrik, die allem Anschein nach wenigstens noch in Betrieb war, vorbeigefahren war, löste der Wald wieder die Zivilisation ab, und Christer wendete.
Zurück am Folkets hus bog er jetzt, wie es die Wegbeschreibung vorsah, nach links ab und hinter dem Hügel nach rechts. Skolgatan, ja, das stimmte. Und da vorne war der gelbe, geschlossene Kiosk, von dem sie erzählt hatte, an dem er vorbeifahren sollte. Dann wieder links und am Supermarkt vorbei.
Christer bog zwischen den Mietshäusern ein und stellte den Motor ab. Immer noch fünf Minuten. Er drehte den Rückspiegel ein wenig und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Doch, das sah in Ordnung aus, auch wenn er schon vor einigen Wochen hätte zum Friseur gehen sollen. Eine alte Dame mit Rollator wanderte am Beet
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