Feuertochter: Roman (German Edition)
gestillt werden konnte.
Es war noch weit vor der Zeit, in der die Königin Bittsteller und Besucher empfing. Daher hob eine der Kammerfrauen, der Essex unterwegs begegnete, erschrocken die Hände. »Ich bitte Euch, Mylord, erscheint zu einer späteren Stunde! Ihre Majestät ist noch nicht bereit für Staatsgeschäfte.«
»Für mich wird sie bereit sein!«, rief Essex und schob die Frau beiseite. Mit raschen Schritten näherte er sich den Privatgemächern Elisabeths, ohne darauf zu achten, dass seine verschmierten Stiefel batzenweise Dreck auf dem edlen Parkett hinterließen.
Die Gardisten an der Tür wollten ihn daran hindern, einzutreten, wichen aber zurück, als er nach seinem Schwert griff und es halb aus der Scheide zog.
»Mylord, ich bitte Euch, wartet, bis Ihre Majestät empfängt!«, flehte die Kammerfrau, die ihm nachgeeilt war, noch einmal.
Essex ließ sich jedoch von nichts und niemandem aufhalten. Mit einem Ruck riss er die Tür auf und trat ein. Im Vorraum war niemand, doch er hörte Stimmen aus dem angrenzenden Zimmer. Ohne zu zögern, ging er weiter, öffnete auch diese Tür und sah mehrere Damen mit dem Rücken zu ihm stehen. Dann erst entdeckte er Elisabeth, die in ein dünnes Hemd gehüllt auf einem Schemel saß. Ihre Füße steckten in einer Wanne mit warmem Wasser, während ihr eine der Damen mit einem Schwamm Gesicht und Hände wusch.
So hatte Essex die Königin noch nie gesehen. Ihr Kopf, den sonst rotblonde Haare bedeckten, war bis auf einen dünnen Flaum kahl geschoren, das ungeschminkte Gesicht fleckig und von Falten durchzogen. Auch der Hals zeigte tiefe Furchen, während der Leib in dem Hemd mager wirkte. Am ansehnlichsten erschienen ihm noch die Beine, die durch Reiten und Tanzen ihre Form behalten hatten.
Während Essex die wenig majestätisch aussehende Frau anstarrte und sich sagte, dass es sich bei ihr um eine beliebige verbrauchte Greisin hätte handeln können, wurde Elisabeth auf ihn aufmerksam.
Im ersten Moment erschrak sie, doch dann erfasste sie lodernder Zorn. »Ihr, Mylord? Was für ein unerwarteter Anblick!«
Nun erst entdeckten auch ihre Damen den Eindringling und sprangen erschrocken auf. Sie besaßen jedoch genug Mut und Übersicht, um sich zwischen Essex und die Königin zu stellen, so dass Elisabeth seinen Blicken entzogen war.
Essex merkte, dass seine Hand noch immer den Schwertgriff umklammerte, und ließ diesen los, als wäre er glühend geworden. Gleichzeitig sank er in die Knie und hob in einer verzweifelten Geste die Arme.
»Verzeiht mein Eindringen, Euer Majestät, doch die Umstände zwingen mich dazu. Neider und Verleumder hetzen gegen mich und versuchen, meinen Ruhm zu beschneiden und meinen Ruf und meine Ehre in den Schmutz zu treten.«
»Da Ihr von Schmutz redet, muss ich Euch sagen, dass Ihr derzeit nicht gerade sauber ausseht.«
Die Königin hatte ihren ersten Schrecken überwunden und musterte den jungen Mann über die Schulter einer ihre Damen hinweg. Etwas war mit ihm geschehen, sagte sie sich. Die jugendliche Frische, die sie so an ihm geliebt hatte, war wie Tünche abgefallen. Jetzt sah sie einen innerlich zerrissenen Menschen vor sich, der instinktiv erkannte, dass er den hohen Ansprüchen, die er an sich selbst stellte, nicht gerecht werden konnte.
Wie oft hatte sie ihn verzweifelt erlebt und ihn getröstet? Sie wusste es selbst nicht mehr. Wäre er nur ihr getreuer Höfling Robert Devereux, würde sie es wohl wieder tun. Doch vor ihr stand der Lord Lieutenant von Irland, ein Mann, den sie ausgeschickt hatte, den Widerstand auf dieser rebellischen Insel ein für alle Mal zu brechen. Bei dieser Aufgabe hatte er kläglich versagt – und das trotz eines gewaltigen Heeres, wie es noch kein König von England je einem Heerführer anvertraut hatte. Wenn er wenigstens jetzt den Kopf senken und zugeben würde, dass er gescheitert war, dachte sie traurig. Doch darauf würde sie wohl vergebens warten.
Unterdessen überlegte Essex, wie er beginnen sollte, und sagte sich, dass Angriff die beste Verteidigung war. »Euer Majestät, ich habe einen ehrenvollen Frieden mit dem Earl of Tyrone geschlossen und Eure Herrschaft über Irland gesichert. Mir übelwollende Männer wagen es jedoch, mich zu verleumden. Ich muss darauf bestehen, dass Ihr diesen Männern kein Gehör schenkt und sie für ihre Unverschämtheit bestraft.«
Das war Essex, so wie Elisabeth ihn kannte, maßlos und voller Argwohn, ein anderer als er könne ihre Gunst gewinnen. Wenn er
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