Feuertochter: Roman (German Edition)
sich erst um die Geflohenen kümmern. Als sie ihren Blick über die Wiesen und Felder schweifen ließ, die sich auf der einen Seite bis zu den grünen Hügeln bei der Burg und auf der anderen bis zum nahen Wald erstreckten, glaubte sie im Halbdunkel der Bäume Menschen zu sehen, die zu ihr herüberspähten.
Um zu zeigen, dass sie eine gläubige Katholikin war, kniete sie vor der Kirchenruine nieder und betete so, dass die Späher am Waldrand es sehen konnten. Danach stand sie auf, schlug das Kreuz und schritt auf den Waldsaum zu. Sie ging langsam, um ihnen Zeit zu geben, sich an sie zu gewöhnen. Vor allem aber sollten die Menschen feststellen können, dass sie allein kam und ihr keine Krieger folgten.
Ciara näherte sich den dicht stehenden Bäumen, doch es wagte sich niemand aus seiner Deckung. Schließlich blieb sie etwa zwanzig Schritte vor dem dichten Gebüsch stehen und hob die Rechte zum Friedensgruß.
»Ich weiß, dass ihr dort seid!«, rief sie. »Ich bin Ciara Ní Corra, die Schwester von Oisin O’Corra, dem Taoiseach der Ui’Corra. Wir sind zurückgekehrt und haben Richard Haresgill und seine Schurken von unserem Land vertrieben.«
Jetzt gilt es, dachte sie. Entweder glauben mir die Leute, oder ich werde in den Wald hineingehen müssen. Wenn sie Pech hatte, würden sie sie für eine Feindin halten und töten. Sie schüttelte diesen Gedanken sofort wieder ab. Auch wenn ihre Familie fast zwei Jahrzehnte lang im Exil gelebt hatte, so musste es immer noch Dorfbewohner geben, die sich an die alten Zeiten erinnern konnten.
»Hört ihr mich? Ich bin Ciara Ní Corra!«, rief sie erneut.
Endlich tat sich etwas. Zwei Männer wagten sich aus der Deckung des Waldes. Einer war noch jung, während der andere von der Last vieler Jahre gebeugt ging. Beide waren abgerissen und wirkten misstrauisch. Doch dem Alten konnte Ciara Neugier anmerken.
Etwa zehn Schritte von ihr entfernt blieben die beiden stehen und sahen sie an. »Du willst Ciara Ní Corra sein? Es heißt, alle aus der Sippe des alten Cahal O’Corra wären von den Engländern umgebracht worden«, sagte der junge Mann abwehrend.
»Cahal O’Corra war mein Großvater«, erklärte Ciara. »Als die Engländer unser Land überfielen, konnte meine Mutter mit mir und etlichen Clanangehörigen fliehen. Mein Bruder war damals schon in Frankreich als Page am Hofe von König Henri III.«
Der Alte kniff die Augen zusammen und musterte Ciara durchdringend. »Du siehst der Ehefrau unseres alten Taoiseachs ähnlich und könntest ihre Tochter sein. Aber weißt du auch, was dein Vater bei deiner Geburt gesagt hat?«
Bei der Erinnerung daran kniff Ciara kurz die Lippen zusammen. »Das kann ich! Als ich geboren wurde, hatte ich schwarze Haare auf dem Kopf, und meine Haut war dunkel angelaufen. Daher rief mein Vater aus, ich müsse von einem Mohren gezeugt worden sein, und nannte mich Ciara. Doch schon einen Tag später war meine Haut hell wie Milch, und die Haare fielen aus. Den Namen behielt ich trotzdem, und mein Vater musste es sich in den nächsten Wochen gefallen lassen, dass meine Mutter ihn als Mohren verspottete. Ihr blieb nicht viel Zeit dafür, denn wenige Monate später verbündete Richard Haresgill sich mit Aodh Mór O’Néill und vertrieb uns von unserem angestammten Land.«
»Das stimmt!«, bekannte der alte Mann. »Du bist wirklich die Tochter des O’Corra.«
»Jetzt bin ich die Schwester des O’Corra. Mein Vater starb ein paar Jahre später in Frankreich in einer Schlacht gegen die Ketzer. Nun ist mein Bruder Oisin der Anführer des Clans. Wir sind zurückgekommen, um unser Land wieder in Besitz zu nehmen. Daher müsst ihr euch nicht mehr wie wilde Tiere in den Wäldern verstecken. Ein Teil von euch kann in euer Dorf zurückkehren und die Katen bewohnen, die noch ein Dach haben, die anderen sollten leerstehende Häuser in den übrigen Dörfern beziehen. Vorräte und dergleichen erhaltet ihr aus der Burg, soweit es uns möglich ist.«
Ciara hatte gehofft, die Menschen damit überzeugen zu können, doch der junge Mann funkelte sie zornig an. »Euretwegen haben uns die Engländer die Dächer über den Köpfen angezündet und viele von uns umgebracht. Mein Weib und meine Schwestern wurden von ihnen geschändet und mein kleiner Sohn getötet. Ihr nehmt jetzt wieder das Land in Besitz, doch wir einfachen Leute mussten dafür leiden.«
»Es ist entsetzlich, was ihr alles habt erdulden müssen, aber diese schrecklichen Taten haben die Engländer
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