Feuertochter: Roman (German Edition)
nachgeborenen Sohnes hatte zur Welt kommen lassen, der zudem bei seinen Verwandten nicht gut gelitten gewesen war. Er stieg die breite Treppe hinauf und eilte trotz des mahnenden Räusperns einer Magd mit seinen schmutzigen Stiefeln den Gang entlang, der zum Pulverturm führte.
Ein Lakai sah ihn kommen und wollte sich ihm in den Weg stellen. Simon funkelte ihn wütend an. »Was soll das? Erkennst du mich nicht?«
»Ihr, Herr Simon?«, stotterte der Mann und riss die Tür auf.
Der Pulverturm war nicht mit dem eigentlichen Schloss verbunden, aber in Höhe der zweiten Etage führte ein gedeckter, hölzerner Gang auf die Plattform hinüber, so dass man den Söller auch bei Regenwetter betreten konnte, ohne nass zu werden. Simons Schritte hallten laut auf dem Bretterboden.
Auf der anderen Seite erwartete ihn sein Onkel mit ärgerlicher Miene. »Wer seid Ihr, Herr?«
Ich hätte mich doch waschen und bei den Sachen meines Vetters bedienen sollen, fuhr es Simon durch den Kopf. »Verzeiht, Oheim, dass ich so abgerissen vor Euch erscheine. Doch bin ich ohne Gepäck gereist, und mein Diener hat mich unterwegs verlassen.«
»Simon!« Erleichterung lag in der Stimme des alten Herrn.
»Zu Euren Diensten, Oheim!« Simon deutete eine Verbeugung an und trat an ihm vorbei in die hölzerne Laube, die einen Teil des Turmdachs einnahm und besonders den Damen als Schutz vor Sonne und nassem Wetter diente. Von diesem Söller aus konnte man weit ins Land hineinblicken, und deswegen war dieser Ort seit jeher der Lieblingsplatz seines Onkels.
Jetzt erst wunderte Simon sich über dessen düstere Miene. Und auch seine Tante saß da, als hätte der Engel des Todes sie gestreift. Seinen Vetter Andreas, dessen Frau und die Kinder entdeckte Simon nirgends.
»Du warst lange weg!«, stellte Franz von Kirchberg fest.
»Wer im Dienst Seiner Heiligkeit steht, kann nicht auf die Zeit achten«, antwortete Simon in der Absicht, seine Verwandten zu beeindrucken.
»Da du so rasch gereist bist, muss mein Bote dich erreicht haben«, fuhr Franz fort.
»Euer Bote, Oheim?« Simon starrte den alten Mann verwirrt an.
»Ich habe einen Boten nach Rom geschickt, damit man dir und Ferdinand die Nachricht nach Irland bringt!«
Simon hob ratlos die Hände. »Bedauerlicherweise hat uns keine Botschaft erreicht.«
»Das ist bedauerlich«, sagte Franz und winkte dann ab. »Aber letztlich ist es nicht mehr wichtig. Man sollte dir und Ferdinand melden, dass unser Sohn Andreas durch den Ratschluss Gottes, dem wir alle uns beugen müssen, verstorben ist, ebenso sein Weib und unsere Enkel. Ich habe Ferdinand zu meinem Erben bestimmt, aber du sollst auch nicht zu kurz kommen. Immerhin bist du ebenfalls mein Neffe, auch wenn du nur der Sohn eines meiner Brüder bist und nicht – wie Ferdinand – auch der der Schwester meiner Gemahlin.«
Schon wieder Ferdinand!, durchfuhr es Simon mit einer Welle blanken Hasses. Dann aber dachte er an die explodierende Turmspitze an der Küste von Donegal und sah seinen Onkel mit einem kaum verhohlenen Lächeln an.
»Lieber Oheim, ich bedauere, Euch mitteilen zu müssen, dass mein Vetter Ferdinand während der Kämpfe in Irland bei einem Angriff der Engländer ums Leben gekommen ist.«
»Nein!« Irmberga von Kirchbergs entsetzter Aufschrei ließ Simon wünschen, ihr den Hals umdrehen zu können. Diese Frau hatte ihn immer abgelehnt, selbst als er hier zusammen mit ihrem eigenen Sohn erzogen worden war. Er vergönnte es ihr, im Alter vor den Scherben ihres Lebens zu stehen – und seinem Onkel ebenso. Da deren Sohn, die Enkel und ihr Lieblingsneffe tot waren, gab es nur noch einen Erben von Kirchberg – und das war er.
In dem Augenblick spottete er innerlich über die geizige englische Königin, die ihm nicht einmal einen Quadratfuß irischen Bodens gegönnt hatte. Nun würde er auch ohne ihre Gunst ein hoher Herr werden, ein Lord, wie man in England zu sagen pflegte, und mit einer passenden Heirat konnte er noch höher aufsteigen. Es war gut, dass er die Heiratsurkunde verbrannt und Ciara in London zurückgelassen hatte, dachte er, dann erst fiel ihm ein, dass er seinem Onkel und dessen Gemahlin zu deren schwerem Verlust kondolieren musste.
17.
D ie ersten Tage in London verliefen enttäuschend. Die Stadt war einfach zu groß, und es gab zu viele Gasthäuser, Herbergen und Tavernen, um sie innerhalb kurzer Zeit alle aufsuchen zu können. Außerdem zeigte sich rasch, dass die Wirte und Schankmägde meist erst dann
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