Feuertochter: Roman (German Edition)
und beinahe sämtliche Lebensmittel. Um Haaresbreite konnten wir die nackte Haut retten.«
»Beschäftigt dich das immer noch?« Simon von Kirchberg war zu den beiden getreten und schüttelte nun nachsichtig den Kopf. »Junge, du solltest dich daran gewöhnen, dass ein Krieg Opfer erfordert. Die Engländer überwachen die See, um fremde Schiffe daran zu hindern, Irland anzulaufen. Mir war das Risiko von Anfang an bewusst. Es hätte uns weitaus schlimmer treffen können. Stell dir vor, es wäre den Engländern gelungen, auch unser Schiff zu kapern! Die armen Kerle an Bord der Violetta hatten einfach Pech.«
»Diese Männer sind Märtyrer unseres geheiligten Glaubens, und jeder Tropfen ihres Blutes, der vergossen wurde, wird einen Ketzer in die Hölle ziehen«, warf Pater Maitiú mit weit hallender Stimme ein.
»Wir müssen das Vergangene ruhen lassen, Ferdinand, und auf das schauen, was vor uns liegt. Das gilt auch für die Beule, die du dir zugezogen hast. Hör endlich auf, die Matrosen zu fragen, wer dir den Schlag verpasst hat!«
Ferdinand begriff, dass er die Geduld seines Vetters nicht länger strapazieren durfte. Trotzdem ärgerte er sich, denn er hätte es dem Unbekannten gerne mit Zins und Zinseszins heimgezahlt.
Simon von Kirchberg legte ihm wie zum Trost den Arm um die Schulter. »Ich wäre viel lieber mit einer größeren Schar nach Irland gekommen, das darfst du mir glauben. Leider hat mir unser Herr im Himmel dies versagt. Oisin O’Corra wird wohl enttäuscht sein. Doch jeder unserer Soldaten ist gut ausgebildet, und die meisten hier an Bord können als Unteroffiziere eingesetzt werden.«
»An Soldaten dürfte kein Mangel herrschen«, warf der Priester ein. »Jeder Ire sehnt sich danach, das Schwert in die Hand zu nehmen und es in das Blut der englischen Ketzer zu tauchen. Was wir benötigen, sind im Kampf erfahrene Männer, die unsere Leute ausbilden und anführen können.«
Simon nickte und spie ins Wasser. »Wir werden aus den Iren richtige Soldaten machen und dann den Engländern zeigen, dass sie auf ihrer eigenen halben Insel am besten aufgehoben sind.«
»Wieso ›halben Insel‹?«, fragte Ferdinand verwirrt.
»Die andere Hälfte besitzen die Schotten, und das sind nicht gerade die Freunde der Engländer!« Simon klopfte ihm auf die Schulter und trat auf den Kapitän zu. »Wann erreichen wir unser Ziel?«
»So Gott uns den richtigen Wind schickt, noch vor dem Abend.«
»Und wenn Gott uns den Wind nicht schickt?«, fragte Ferdinand, dem der Kapitän im Lauf der Reise immer unsympathischer geworden war.
»Gott wird ihn uns schicken!«, erklärte Pater Maitiú mit entrückter Stimme.
Ferdinand achtete nicht auf ihn, sondern starrte wieder auf die Steilküste, die sich schier endlos dahinzog. Angesichts der schäumenden Brandung konnte er sich nicht vorstellen, dass es hier einen Fleck gab, an dem ein Mann unbeschadet an Land gehen konnte. Dabei sehnte er sich danach, das schwankende Deck der Margherita zu verlassen und endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Schließlich hatte der Herrgott im Himmel den Menschen nicht als Meeresgeschöpf geschaffen, sondern als ein Wesen des Landes, sonst hätte er ihm Flossen und Kiemen gegeben. Ferdinands Meinung zufolge hätte Gott bei der Erschaffung der Welt auf Inseln verzichten können. Er bereute diesen blasphemischen Gedanken jedoch sofort wieder und beschloss, bei Pater Matteo zu beichten, sobald sie an Land Quartier bezogen hatten. An den irischen Namen des Priesters hatte er sich noch nicht gewöhnt, und es würde wohl noch geraume Zeit dauern, bis ihm »Athair Maitiú« über die Lippen kommen würde.
Der Priester achtete nicht mehr auf die beiden deutschen Edelleute, sondern ging nach vorne zum Bug, um der Heimat noch ein Stück näher zu sein. Simon blieb bei Ferdinand stehen und klopfte ihm auf die Schulter.
»Kopf hoch, Junge! An den meisten anderen Stellen ist die Küste Irlands nicht ganz so abschreckend. Aber wir müssen die Gewässer, die die Engländer befahren, meiden und heimlich an Land gehen.«
»Ich wollte, wir wären schon dort«, stieß Ferdinand aus.
Simon lachte leise. »Keine Sorge! An Land sind wir früh genug. Sobald wir das Schiff verlassen haben, müssen wir in Erfahrung bringen, wo Oisin O’Corra zu finden ist, und uns zu ihm durchschlagen. Da wir nur noch gut sechzig Mann bei uns haben, werden wir die Straßen meiden, auf denen die Heere normalerweise marschieren. Jede englische Garnison, die
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