Feuertochter: Roman (German Edition)
einen Kinderreim ab, um das Opfer zu bestimmen. Es traf ausgerechnet ihre Lieblingskuh. Bestürzt trat sie zurück und überlegte, was sie tun sollte.
Da betrat Ionatán den Stall, und hinter ihm kam Simon von Kirchbergs Vetter herein. Während Ionatáns verbitterte Miene wenig Hehl daraus machte, wie sehr ihm die Demütigungen durch Buirre und Maeve zusetzten, lächelte Ferdinand bei ihrem Anblick fröhlich.
»Ich sah Euch über den Hof gehen und wollte Euch meinen Dank für das gute Essen und den Met aussprechen, den Ihr uns und unseren Männern zukommen lasst«, sagte er.
»Ich kann Euch ja schlecht verhungern lassen!« Ciara gefiel es nicht, ausgerechnet jetzt von dem jungen Deutschen gestört zu werden. Mit Ionatán hätte sie in Ruhe beraten können, welches Tier sie schlachten sollten. Daher fiel ihre Antwort recht harsch aus. Als sie Ferdinands betroffenen Gesichtsausdruck sah, tat es ihr schon wieder leid. »Ich meine es nicht böse, Herr von Kirchberg. Aber die Versorgung Eurer Leute war nicht leicht, und wir Frauen mussten uns zumeist mit geringerer Kost als der begnügen, die Euch aufgetischt worden ist.«
»Ihr musstet unseretwegen hungern?«, rief Ferdinand entgeistert aus.
Ciara schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. »Nein, das nicht, aber wir haben nur selten Fleisch essen können und mussten uns zumeist mit Gerstensuppe begnügen.«
»Das war nicht unsere Absicht! Wir … Ich werde mit meinem Vetter sprechen, damit wir uns in Zukunft ebenfalls mit Gerstensuppe zufriedengeben.«
Ihm ist es völlig ernst damit, fuhr es Ciara durch den Kopf. Bislang hatte sie Simons Vetter kaum beachtet, aber nun musterte sie ihn mit neu erwachter Neugier. Er war etwa einen Zoll größer als dieser, hatte die schlaksige Figur eines Jünglings und ein offenes, ehrliches Gesicht, dem noch jene männliche Festigkeit fehlte, die Simon auszeichnete. Dunkelblonde Haare fielen ihm widerspenstig auf die Schultern, während seine Augenbrauen und der schüttere Bartansatz fast weiß wirkten. Am eindrucksvollsten empfand sie seine Augen. Diese leuchteten wie heller Bernstein und strahlten große Lebendigkeit aus.
Verwundert, weil ihr mit einem Mal gefiel, was sie sah, schüttelte Ciara den Kopf. »Ihr braucht nicht mit Eurem Vetter zu sprechen. Wir Frauen sind es gewöhnt, solche Dinge zu essen, während Ihr selbst und die anderen Krieger Eure Kräfte für den Kampf benötigt. Bezahlt das Fleisch, das Ihr bei uns esst, mit den abgeschlagenen Köpfen der Engländer! Das genügt uns.«
»Wenn Ihr es verlangt, schlage ich allen Engländern den Kopf ab!«
Da Ferdinand so aussah, als wolle er sofort aufbrechen, um die Söhne Albions zu suchen, hob Ciara erschrocken die Hand. »Ich meine es nur symbolisch. Helft meinem Bruder, die Engländer zu vertreiben. Ich bin weder eine Judith, die selbst Köpfe abschneidet, noch eine Salome, die das Haupt des heiligen Johannes des Täufers verlangt.«
»Wir werden sie vertreiben«, erklärte Ferdinand so entschlossen, als stände anstelle von sechsundfünfzig schlecht ausgerüsteten Söldnern die hundertfache Zahl in voller Bewaffnung hinter ihm.
In dem Augenblick klang Hufschlag auf, und Ciara, Ferdinand und Ionatán liefen aus dem Stall, um nachzusehen, wer da in den Burghof einritt. Es war Oisin mit zwei unbekannten Begleitern. Ciara stufte diese aufgrund ihrer Abzeichen als Männer der Ui’Néill ein.
»Ruft alle Krieger zusammen!«, rief Oisin mit weit hallender Stimme. »Die Zeit des Wartens ist vorbei! Henry Bagenal hat Dún Dealgan verlassen und rückt mit seinen Soldaten auf Uladh zu. Jetzt heißt es, die Heimat zu verteidigen und den Freundschaftseid zu erfüllen.«
Letzteres galt Simon von Kirchberg und dessen Mannen. Bislang war Oisin ihnen den versprochenen Sold zum größten Teil schuldig geblieben. Daher konnte er nur hoffen, dass sie dennoch die Befehle, die der Heilige Vater ihnen persönlich in Rom erteilt hatte, getreu befolgen und gegen die englischen Ketzer antreten würden.
Cyriakus Hufeisen und andere Deutsche sammelten sich um Ferdinand.
»Was sagt der Ire?«, fragte der Unteroffizier.
»Die Engländer kommen! Also wird es bald eine Schlacht geben«, antwortete Ferdinand.
Der Söldner grinste. »Zeit wird es! In den letzten Monaten sah es eher so aus, als würden wir hier festwachsen.«
Auch Ferdinand war begierig darauf, seine Klinge mit den Engländern zu kreuzen. Sein Blick suchte seinen Vetter, der zu Oisin getreten war und leise auf
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