Feuertochter: Roman (German Edition)
Dann wäre die Burg ohne Schutz. Was glaubt Ihr, wie schnell die Iren dann vor den Mauern stehen? Mit Euren paar Knechten könnt Ihr die Burg niemals verteidigen, und wenn Loane Castle fällt, muss Sir Henry Bagenal alle Festungen aufgeben, die er weiter im Norden errichten lässt. Damit wäre für O’Néill und seine Rebellen der Weg ins Herz von Irland frei. Ich sage Euch, der Mann, der sich Earl of Tyrone nennt, würde uns in wenigen Wochen bis in den Pale zurücktreiben und sich zum Herrn des größten Teils von Irland aufschwingen. Um ihn dann noch zu besiegen, müsste Ihre Majestät, die Königin, ein Heer entsenden, wie England es seit hundert Jahren nicht mehr aufgebracht hat.«
»Heißt das, Ihr wollt diese Hunde ungehindert plündern und rauben lassen?«, fuhr der Verwalter auf.
»Wenn ich die Wahl zwischen ein paar erschlagenen Bauern und einer Herde entführter Kühe oder einer totalen Niederlage habe, ziehe ich Ersteres vor«, antwortete der Söldnerführer ungerührt. »Oder glaubt Ihr, der Earl wäre erfreut, wenn man ihm mitteilen würde, seine Burg wäre in Flammen aufgegangen?«
Gegen dieses Argument kam der Verwalter nicht an. Mit geballten Fäusten stand er auf der Burgmauer und musste mit ansehen, wie die Iren einen Pachthof nach dem anderen stürmten und plünderten. Schließlich rückten die Angreifer schwer beladen mit ihrer Beute ab und führten ein paar hochbepackte Esel, mehrere Dutzend Kühe und eine ganze Herde Schafe mit.
Auf Oisins Signal hin gaben auch Kirchbergs Söldner ihre Position auf und folgten ihren Verbündeten. Der Verwalter des Earls of Loane hatte Simon von Kirchberg als Söldnerführer ausgemacht und schrie nun hinter ihm her, er sei ein elender Feigling.
Als kurz darauf die Nacht hereinbrach, war der Spuk vorbei, und nur die leeren Ställe, Scheuern und Speicher zeugten davon, dass hier eine Schar Iren und deutsche Söldner die Engländer überrascht und ausgeplündert hatten.
Dritter Teil:
Für Irland
1.
C iara schritt über den Burghof und meinte den Frühling zu riechen. Es schien ein Wunder, wie rasch der Winter vergangen war. Zum Teil lag dies gewiss daran, dass sich kein einziger Engländer im Land der Ui’Corra hatte sehen lassen. An anderen Orten war es zu Scharmützeln gekommen, doch im Grunde hatte Irland eine unerwartet friedliche Zeit erlebt. Allerdings würde Ciara keine Wette darauf eingehen, dass es so blieb. Auch wenn ihr Bruder nur wenig über seine und Aodh Mór O’Néills Pläne sprach, so wusste sie doch, dass die Engländer nicht untätig geblieben waren. Henry Bagenal, der von ihren Feinden eingesetzte Anführer in Uladh, hatte sich zwar bis nach Dún Dealgan zurückgezogen, sammelte dort aber emsig Truppen. Gleichzeitig ließ er Festungen und Verhaue errichten, die die Gebiete der aufständischen Clans vom Rest Irlands abtrennen sollten. Auch wenn für die Iren die Wälder und Moore ihrer Heimat kein so großes Hindernis darstellten wie für die Engländer, so mochte O’Néill die neuen Festungen nicht länger hinnehmen.
Ciara wusste nicht, ob ihr Bruder ebenfalls in den Krieg ziehen und die deutschen Soldaten mitnehmen würde. Bei dem Gedanken an deren Söldnerführer zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Simon von Kirchberg war ein großer Krieger und ein gutaussehender Mann. Einige Male hatte sie den Eindruck gehabt, ihm läge etwas an ihr, aber er bewahrte stets einen höflichen Abstand. Das war zwar ehrenhaft, doch insgeheim wünschte sie sich, nur ein Mal mit ihm allein zu sein, um ihm ihre Liebe offenbaren zu können.
Bei dem Gedanken rief sie sich zur Ordnung. Sie war die Schwester des Taoiseachs und keine läufige Hündin wie Maeve. Diese verweigerte zwar ihrem Ehemann Ionatán die Gemeinschaft im Bett, aber in der Burg war mittlerweile allgemein bekannt, dass sie sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Buirre paarte. Ciara verachtete den Mann ihrer Cousine noch mehr als früher und bewunderte gleichzeitig die Gelassenheit, mit der Saraid über Buirres Untreue hinwegsah.
Ciara fragte sich, warum ihr an diesem Tag so viel durch den Kopf ging, und betrat mit einem Seufzer den Stall. Nach den Raubzügen ihres Bruders war er besser gefüllt als im Herbst, obwohl sie mehrere Tiere geschlachtet hatten. Nun musste sie erneut ein Tier auswählen, um Fleisch auf den Tisch bringen zu können.
Ciara fiel es nicht leicht, sich zu entscheiden, denn die Kühe waren ihr ans Herz gewachsen. Zuletzt schloss sie die Augen und zählte
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