Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
Vom Netzwerk:
vermeintliche Opfer der Täter ist. Dann beeinflusst deine Sympathie die gesamten Ermittlungen, und du leitest dich selbst in die falsche Richtung. Fotos zeigen immer nur eine Möglichkeit unter vielen, wir müssen sie abgleichen mit allen anderen Informationen, die wir kriegen können.«

    Oxana Reber wartete auf die Polizisten und Detektive, aber was sie auf sich zukommen sah, erinnerte sie an die »Fantastischen Vier« aus den alten US-Comics, die ihre Mutter jahrelang gesammelt hatte.
    Sie selber sah aus wie die Jungkönigin der Nacht. Hochgesteckte Medusenhaare, ein bleiches Gesicht, durch Küsse verschmierter kirschroter Lippenstift, kajalgeschwärzte Augenlider, das alles mehr enthüllt als verborgen durch einen weißen Gazeschleier, der von einer rosa Haarmasche in Position gehalten wurde. Sie stand in einem Ballettkleid im Schatten der Eingangstür.
    Bernhard Spring war von Pascale Meyers Outfit einiges gewohnt, dennoch schluckte er schwer, bevor er sagte: »Sie sind sich im Klaren darüber, dass wir nun hier reingehen und unter dem Laken wohl Ihre Mutter liegt?«
    »Ja«, flüsterte Oxana Reber. »Sie hätte es so gemocht. Sie war eine schwarze Fee unter den Menschen, den Wassergeistern zugehörig.«
    Also traten sie ein, zu fünft, im Gänsemarsch hinter dem Störfahnder. Als alle einen Blick auf das bleiche Gesicht der Wasserfee geworfen hatten und ein zweiter Blick sie mit dem Aussehen ihrer Tochter verglich, brauchte es keine weiteren Worte mehr.
    »Sie ist an der Luft gestorben«, krächzte Oxana.
    »Nein«, sagte Spring, »sie ist aus Mangel an Luft gestorben.«

    Oxana wirkte ruhig und gefasst, deshalb schlug Spring vor, jetzt gleich das Atelier der Mutter zu besichtigen. Die Tochter lotste sie durch ein paar Nebenstraßen im Quartier, bis sie zu einem ehemaligen Ladenlokal kamen, über dessen Schaufenster noch »Kolonialwaren« stand.
    »Hier arbeitet meine Mutter«, sagte Oxana, als sie aufschloss, wie wenn sie gleich ins Atelier zurückkehren würde. »Und im ersten Stock liegt unsere gemeinsame Wohnung.«
    Als Spring sie etwas erstaunt anblickte, ergänzte die junge Frau: »Ich bin 25, Mutter 43, da kommt man gut zusammen aus. Außerdem hat sie häufig im Atelier übernachtet, vor allem wenn meine Freunde zu Besuch kamen.«
    »Sie wissen, dass man Ihre Mutter im Seefeld, einer Alp oberhalb Habkern, gefunden hat?«, fragte Heinrich Müller.
    »Man hat es mir gesagt«, gab Oxana zur Antwort.
    »Können Sie sich vorstellen, was sie dort gemacht hat?«
    »Eine Berggängerin war sie jedenfalls nicht«, sagte Oxana. »Einfach so zum Spaß ist sie kaum dort hochgestiegen. Jemand wird sie dorthin bestellt oder gebracht haben.«
    »Es sieht danach aus, dass sie selber, ohne äußeren Zwang, auf die Alp gewandert ist«, ergänzte Spring. »Erst dort oben muss es zum fatalen Treffen gekommen sein.«
    »Einen Zufallsmörder schließen Sie aus?«, fragte die Tochter.
    »Wir schließen nichts aus«, meinte der Störfahnder. »Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich.«
    Sie standen zwischen diversen Architekturmodellen, die alle akribisch bearbeitet und säuberlich beschriftet waren: Ort, Datum, Architekt, Art des Gebäudes. Nur bei einem großen Objekt in der dunklen Ecke des Ateliers, die man bei der Arbeit beleuchten musste, fehlten die Angaben.
    »Was ist das denn?«, fragte Nicole Himmel.
    Oxana zuckte die Schultern.
    »Sie haben mit Ihrer Mutter nicht über ihre Arbeit gesprochen?«, wunderte sich Pascale Meyer.
    »Doch«, sagte Oxana. »Aber es war ja immer dasselbe. Sie fand es ungeheuer spannend, stets neue Haustypen aus Styropor und anderen Materialien auszuschneiden, sie zu positionieren, zu bemalen, die Umgebung mit Miniaturbäumchen und -menschen zu beleben. Für mich sah das alles wie eine ständige Wiederholung aus. Ich konnte den Reiz nicht wirklich erkennen.«
    »Aber dieses Objekt ist ganz anders«, bemerkte Spring, »hier ist eine großflächige Landschaft gestaltet.«
    »Es ist nicht fertig. Es fehlen die Gebäude«, meinte Oxana.
    »Sie wissen nichts darüber?«, fragte Heinrich Müller.
    »Irgendein Megaprojekt im Berner Oberland«, sagte die Tochter. »Aber es war nichts Offizielles, deshalb hat Mutter nur sporadisch daran gearbeitet. Sie hat erst eine Anzahlung dafür bekommen.«
    »Was sollte es denn werden?«, fragte Nicole.
    »Ein Fun-Park für den Tourismus, glaube ich«, antwortete Oxana.
    »Vielleicht gibt es deshalb keine Gebäude«, meinte Müller. »Es sind gar keine

Weitere Kostenlose Bücher