Feuerwasser
und Angelina Jolie für arme Leute.
Die Berner Detektive bestellten ein Mineralwasser und bekamen ein San Pellegrino, das quer durch die Alpen transportiert worden war und dabei so viel Benzin verbraucht hatte, wie Wasser in Sigriswil angekommen war.
Heinrich hätte gerne ein paar Leute zum Staudamm- und Fun-Park-Projekt befragt, aber er wusste nicht, wie er es anstellen sollte.
»Das ist Saskia«, sagte die Alte und zeigte auf eine junge Frau mit einem anmutigen Gesicht und derart leuchtend wasserstoffblonden Haaren, dass sich nur noch ein paar wenige Leute aus ihrem Heimatort an das braunhaarige Mädchen erinnerten, das den Ort verlassen musste, nachdem es den Dorfpfarrer wegen sexueller Übergriffe angezeigt hatte. Das war nun ein paar Jahre her. Der Diener des Herrn predigte immer noch in seiner kleinen Gemeinde, und Saskia ging einem Gewerbe nach, das vielen männlichen Touristen den Aufenthalt in Interlaken versüßte und die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen in den Augen der Behörden verminderte. Sie jedoch wusste, was sie gesehen hatte. Wenn man ihr nicht glauben wollte … egal. Als Heinrich sie an seinen Tisch bat und zu den beiden Projekten befragte, hatte sie allerdings keine Meinung.
Am Nebentisch spitzte eine 30-Jährige die Ohren, rutschte schließlich näher und sagte: »Ich bin Loretta. Ich arbeite als Animateurin für Amerikaner, die länger als einen Tag in Beatenberg bleiben. You know«, ergänzte sie, »in diesem Sommer habe ich mehr Freizeit als jemals sonst in meinem Leben. Aber da ist gestern einer angekommen, der das bemerkt hat und nun davon profitieren will. Der nimmt mich den ganzen Tag in Anspruch bis zur unerfüllbaren Aufforderung, ihm zwei Freikarten für das Erfolgsfreilichttheater ›Wilhelm Tell und das Hardermannli‹ zu organisieren. Wofür er die zweite braucht, ist mir schleierhaft.« Loretta schwitzte. »Jedenfalls käme mir dieser Fun-Park sehr gelegen. Bloß kein Staudamm.«
Heinrich und Nicole seufzten simultan. Loretta wusste von nichts. Sie nahm das plötzliche Desinteresse an ihrer Person mit Verstimmung wahr und sagte: »Fragt doch den Typen da hinten«, und zeigte auf einen Pensionierten, der übertrieben aufrecht vor dem Frühschoppen saß. Der Dicke hatte es bemerkt, grinste, schob sich das Hemd mit seiner schwieligen Hand tief in die Hose, löste damit eine Panik aus in der Bakterienwelt, die sein Schweiß ernährte, und machte Anstalten, zu ihnen rüberzukommen.
In diesem kritischen Augenblick öffnete sich die Tür zur Gaststube. Eintrat Abderhalden Simon, Dorfgewaltiger. Alles stob auseinander. War es der Respekt vor der Macht dieser Person oder schlichte Angst? Er hätte die Rolle des Bela Lugosi in »Dracula« übernehmen können, so blutleer war sein Gesicht, so schwer waren seine Tränensäcke. Auch als Voralpen-Frankenstein wäre er zur Not durchgegangen, und das war auch kein Wunder, denn die beiden zentralen Figuren des modernen Gruselromans und -films entstanden 1816 am Genfersee, als Mary Shelley und Dr. John Polidori mit Lord Byron um die Wette schrieben, um einen verregneten, gewitterreichen Sommer lang die üble Laune ihres Gastgebers besser ertragen zu können. Die historische Szene hatte gewisse Ähnlichkeiten mit dem heutigen Treffen. Nur das Wetter war besser.
Simon Abderhalden kam gleich zur Sache. Er habe von Ermittlungen gegen seine Person gehört, sagte er, ob die beiden mit der Polizei zusammenarbeiteten?
»Nein«, erwiderte Heinrich Müller, »unsere Detektei ist beauftragt von Kurt Grünigs Versicherung.«
»Wir tauschen unsere Ergebnisse aber mit der Polizei aus«, ergänzte Nicole Himmel.
Abderhalden brummte etwas Unverständliches und rief der Thunersee-Lara Croft, die an ihren Fingernägeln kaute, eine Bestellung zu. 15 Minuten später zeigte sich, dass er für alle drei das Tagesmenu geordert hatte: Riz Casimir , ein Urschweizer Klassiker: Pouletgeschnetzeltes im Reisring mit Fruchtsalat.
Zur letzten Einkehr , dachte Nicole bei sich, wenn das nur gut geht .
Der robusten Natur von Berglern fügte dieses Gericht natürlich keinen Schaden zu.
»Ja«, erklärte Abderhalden und nahm Müller den Wind aus den Segeln, »ich habe Sara Reber am letzten Donnerstag bestellt, um mir ihren Projektentwurf anzusehen.«
»Den Fun-Park.«
»Genau. Ich möchte mich in bedeutendem Maß finanziell engagieren und wollte mich vergewissern, dass das Projekt für die Gemeinde verträglich ist und ich es an der nächsten Gemeinderatssitzung
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