Feuerwellen: Ein erotischer Roman (German Edition)
Chance gegeben, sich bei ihr zu melden, und – das kam noch hinzu – sie wollte nicht auf die Nacht vor Tag eins angesprochen werden. Mit ihrer Verweigerungstaktik hatte sie ihm wunderbar aus dem Weg gehen können.
Wie sie von Leon erfuhr, der sie strahlend begrüßte, war Dariusz nicht da, und nun, wo er sein Ziel erreicht hatte, war der Brite wieder so nett und drollig wie vor ein paar Wochen, als sie ihn am Flughafen abgeholt hatte. Ihr Vater sei noch in der Stadt, berichtete Leon, habe aber zurzeit einen Termin nach dem anderen mit seinen neuen Senatsfreunden. Außerdem habe Falk angerufen und sich nach Phoebe erkundigt, und Dariusz, tja, der sei gerade beim Kofferpacken für San Antonio. Als Phoebe das hörte, wurde es ganz still in ihr, und sie konnte ihr Herz klopfen hören. Für einen winzigen Moment spürte sie den Impuls, zum Telefon zu greifen, widerstand ihm jedoch. Sie konnte Dariusz verstehen, und vielleicht war es besser, dass es auf diese Weise endete statt mit einem weiteren Streit und noch mehr Tränen. Nach diesem Informationscocktail von Leon war sie nach Hause gegangen und hatte sich wieder ins Bett gelegt, wo sie so lange geheult hatte, bis sie schließlich eingeschlafen war. Und nun war bereits Tag drei, Dariusz irgendwo über den Wolken, und sie würde in ein paar Minuten Leon den Schlüssel für die Galerie übergeben. Ihr Vater hatte sich noch immer nicht bei ihr gemeldet, ihr aber durch Leon ausrichten lassen, dass er noch bis Ende Juli in Berlin bliebe und ob sie sich in den nächsten Tagen nicht zum Lunch sehen wollten.
Jetzt noch eine Schublade, und es war geschafft. Phoebe sah die Zettel und Quittungen durch, die dort wild verstreut lagen – alles Schnee von gestern. Für die letzte Steuererklärung hatte sie genau diese Unterlagen gebraucht, doch nun: weg damit. Sie betrachtete die beiden Umzugskartons, die vor ihr auf dem Boden standen. Das war also alles, was von acht Jahren Galerie, fünf Jahren Galerieleitung und drei Jahren Dariusz-Projekt übrig geblieben war. Sie schloss die Kartons und schob sie mit dem Fuß zur Tür. Ein Kurier sollte den Kram abholen und ihn in den Wannsee kippen. Phoebe blickte aus dem Fenster; durch die Linden auf der anderen Straßenseite war das Büro mittlerweile trotz Sonnenschein vollkommen dunkel. Komisch, dass ihr das nie etwas ausgemacht hatte. Jetzt empfand sie es als unangenehm. Sie suchte in ihrer Clutch nach Zigaretten, als Leon hereinkam. Sein monochromes Ensemble hatte heute die Farbe von hellem Nougat. Belustigt sah Phoebe ihn an.
»Sag mal, wie viele einfarbige Outfits hast du eigentlich? Oder färbst du deine Klamotten abends um, bevor du ins Bett gehst? Und hast du vielleicht eine Zigarette für mich?«
»Klar, Boss.« Leon zog eine ungeöffnete Packung aus seiner Weste hervor und öffnete sie. Dann zündete er sich eine an und reichte sie an Phoebe weiter. Die nächste war für ihn. Schweigend standen sie nebeneinander, starrten in das dunkle Blättergrün der Linden und rauchten. Leon inhalierte zweimal tief, dann trat er seine Zigarette aus.
»Es hat nichts mit dir zu tun, my lady . Bitte sei nicht sauer auf mich. Bitte.« Er war etwas näher an Phoebe herangetreten und sah sie fast traurig an. »Das macht alles keinen Spaß mehr, wenn du sauer bist. Keinen Spaß at all, you know, baby .«
Bei seinem letzten Wort warf Phoebe ihm einen so zornigen Blick zu, dass Leon erschrocken einen Satz zur Seite machte.
»Sag nie wieder ›Baby‹ zu mir, hast du mich verstanden. Das Wort gehört Dariusz. Und zwar allein, ist das klar?«
Beschwichtigend hob Leon die Arme. »Na klar, Boss. Alles klar.« Dann drehte er sich um und ging. Im Türrahmen blieb er noch einmal kurz stehen und sagte mit ernster Miene: »Ich wusste, dass du ihn liebst. Nur blöd, dass du es ihm nie gesagt hast. Er hat so darauf gehofft. Was meinst du, wie oft er vor seinem Backofen geheult hat. Und nun ist er weg.«
Wie vom Donner gerührt blickte Phoebe dem Engländer hinterher, der schnell zwischen den Exponaten verschwand. Dariusz hatte geweint? Im Beisein von Leon, dem Affen? Sie zog die Stirn kraus. Hatte sie Dariusz wirklich nie gesagt, was er ihr bedeutete? Nein, das hatte sie nicht. Und wenn er ihr irgendetwas in der Art gesagt hatte, dann war sie mit flapsigen Bemerkungen darüber hinweggegangen. Sie seufzte und griff nach dem Telefon. Als sie den Kurier für die Kartons bestellt hatte, ging es ihr bereits wieder etwas besser. Sie fühlte sich irgendwie
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