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Feurige Küsse

Feurige Küsse

Titel: Feurige Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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ganz leise hinzu: „Bitte sag den anderen nichts.“
    Sie war entsetzt, wollte mir helfen. Ich schüttelte den Kopf über sie. Wie naiv sie war. Aber es war nett gemeint. Von da an nahm sie mich unter ihre Fittiche. Wir waren unzertrennlich, sogar auf der Realschule, bis ihre Familie wegzog. Sie fehlt mir immer noch. Manchmal, wenn ich besonders traurig bin, hole ich das Bündel, das ich ganz hinten unter dem Bett versteckt habe, heraus und vergrabe mein Gesicht in dem Stoff, in dem noch ein ganz kleiner Hauch von ihr ist. Sie hat mir zum Abschied ihr Lieblingskleid geschenkt, um das ich sie immer so beneidet habe: ein duftiges Sommerkleidchen, übersät von Blüten in allen Blauschattierungen. Natürlich musste ich es verstecken. Meine Eltern hätten sofort an Diebstahl gedacht und es mir weggenommen.
    Solange es mir passte, gönnte ich mir die Freude, es, sooft ich konnte, herauszuholen und anzuziehen. Der zarte Stoff streichelte meine Haut, glitt über meinen Körper, sanft und liebevoll.
    Leider passte es mir nicht lange.
    Glücklicherweise interessierten sich meine Klassenkameraden inzwischen mehr füreinander als für mich. Keiner nahm von mir Notiz, und so fühlte ich mich zwar schrecklich einsam, aber wenigstens in Ruhe gelassen. Die Jungen taten meist so, als seien sie an allem mehr interessiert als am anderen Geschlecht, aber jeder wusste es besser. Die Mädchen begannen, ständig ihre Wimpern nachzutuschen und ihre Lippenstifte auszutauschen. In den Pausen standen sie in kichernden Gruppen zusammen, ein Schwarm bunter Fische. Fasziniert beobachtete ich sie bei ihren Schminkversuchen. Wäre Melanie noch da gewesen, hätte ich sie gebeten, ihre Kosmetika ausleihen zu dürfen. So stand ich als unauffälliges Aschenputtel daneben und beschränkte mich aufs Zuschauen.
    Die Klassenfahrt nach Prag schien mir sowieso unerreichbar, also machte ich mir gar nicht erst die Mühe, meine Eltern um das Geld zu bitten. Ich murmelte mit gesenktem Blick etwas von „knapp bei Kasse“ und erwartete, die Tage in einer der Parallelklassen zu verbringen. Zu meinem Erstaunen zog mich unser Klassenlehrer daraufhin nach der Schulstunde beiseite und eröffnete mir, für Fälle wie meinen gebe es einen Unterstützungsfonds. Ob ich wüsste, wie viel meine Eltern erübrigen könnten? Oder solle er sie fragen?
    Ich hatte mir ein unregelmäßiges kleines Einkommen erschlossen, indem ich die Jackentaschen meines Vaters durchsuchte, während er seine Räusche ausschlief. Normalerweise geradezu pingelig mit jeder Münze, neigte er unter Alkoholeinfluss zu einer gewissen Großzügigkeit. Ich hatte so einiges herausgefischt und bewahrte meine Beute in einer Blechdose im Keller, hinter den Fahrradständern, auf. Es mussten inzwischen an die 100 € sein, die dort für mich bereitlagen.
    Blitzschnell versuchte ich abzuschätzen, was Herr Kaiser wohl als angemessen betrachten würde. Ich entschied mich für 50 €, und das schien seinen Erwartungen zu entsprechen. Er nickte. „Gut, dann will ich sehen, dass ich den Rest besorge. Mach dir keine Gedanken, dafür ist der Fonds ja da.“
    Im Bus saß ich neben einem dicklichen Jungen aus der Parallelklasse, der entsetzlich röchelte. Nachdem er zwei Dosen Cola, einen Schokoriegel und zwei Tüten Erdnussflips in sich hineingeschaufelt hatte, rülpste er zufrieden und kuschelte sich in seine Steppjacke.
    Ich war überhaupt nicht müde. Hätte ich den Fensterplatz gehabt, hätte ich wohl versucht, etwas von der Gegend zu erkennen, durch die wir fuhren. Da ich aber am Gang saß, konzentrierte sich mein Interesse gezwungenermaßen auf das Pärchen neben uns. Das Mädchen war aus meiner Klasse, den Jungen hatte ich noch nie gesehen. Er musste neu sein. Unter halbgeschlossenen Lidern schielte ich verstohlen zu ihnen hinüber. Er hatte eine Hand unter ihr Shirt geschoben, und ich sah seine Hände, die hektisch über ihre großen Brüste fuhren. Sie küssten sich lange und ausgiebig, und plötzlich griff er ihre Hand und legte sie fordernd auf den Reißverschluss seiner Worker-Jeans. Ich hörte sie kichern, aber ihre Finger waren geschickt. Es dauerte nicht lange, und er stöhnte genießerisch: „Oh jaa, das ist gut so, weiter …fester …“
    Wie mochte es sich wohl anfühlen?
    Unter gesenkten Lidern bemühte ich mich, im unruhigen Licht der vorbeirasenden Scheinwerfer etwas zu erkennen. Die meisten anderen schliefen wohl ähnlich fest wie mein pummeliger Nebenmann. Jedenfalls gab es kein Rascheln,

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