Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
würdigen, der wie eine Fabelversion des Rattenfängers von Hameln eine Herde Stachelschweine fortführte. Ein dumpfer Schlag drang vom Kutschbock her zu ihr herein. Etwas viel Größeres als ein Stachelschwein traf den Claviger und riss ihn von der Kutsche. Sekunden später – denn für Schnelligkeit waren sie schon immer bekannt – wurde Alexia der Sonnenschirm aus den Händen geschlagen und die Tür der Kutsche aufgerissen.
»Guten Abend, Lady Maccon.« Der Vampir lüpfte mit einer Hand seinen Zylinder, mit der anderen hielt er die Tür fest und blockierte den Eingang auf bedrohliche Weise.
»Ah, wie geht es Ihnen, Lord Ambrose?«
»Ganz passabel, ganz passabel. Ein reizender Abend, finden Sie nicht auch? Und wie ist Ihr«, er warf einen flüchtigen Blick auf ihren angeschwollenen Leib, »wertes Befinden?«
»Ausgezeichnet«, entgegnete Alexia mit einem bescheidenen Schulterzucken. »Obwohl ich vermute, dass das wahrscheinlich nicht so bleiben wird.«
»Essen Sie Feigen?«
Diese merkwürdige Frage verblüffte Alexia. »Feigen?«
»Außerordentlich förderlich, um Gallenleiden bei Neugeborenen vorzubeugen, wie ich hörte.«
Alexia hatte im Laufe der letzten paar Monaten eine ganze Menge unerwünschter Ratschläge bezüglich ihrer Schwangerschaft erhalten, deshalb ignorierte sie die Worte und konzentrierte sich auf die gegenwärtige Situation.
»Ich hoffe, Sie halten meine Frage nicht für zu dreist, aber sind Sie hier, um mich zu töten?« Langsam rückte sie von der Tür weg und griff nach Ethel. Der Revolver lag hinter ihr auf dem Sitz; sie hatte keine Zeit gehabt, ihn zurück in ihr kariertes Retikül zu stecken. Der kleine Beutel von der Form einer Ananas harmonierte perfekt mit ihrem Reisekleid in grauem Schottenkaro mit Bordüren aus grüner Spitze.
Bestätigend neigte der Vampir den Kopf. »Bedauerlicherweise ja. Ich entschuldige mich aufrichtig für die Unannehmlichkeit.«
»Also wirklich, muss das sein? Es wäre mir lieber, Sie würden es lassen.«
»Das sagen sie alle.«
Das Gespenst trieb dahin. Schwebend zwischen dieser Welt und dem Tod. Die Welt fühlte sich an wie ein Hühnerstall, ein Käfig für Legehühner, und sie war eine arme fette Henne, die man hielt, um zu legen und zu legen und zu legen. Was konnte sie schon anbieten außer den Eiern ihres Verstandes? Nichts war übrig. Keine Eier mehr.
»Gaack, gaack!«, gackerte sie.
Niemand antwortete ihr.
Es war besser so. Das hier war besser als das Nichts, das musste sie glauben. Sogar der Wahnsinn war besser.
Aber manchmal war sie sich dessen bewusst, der Realität ihres Hühnerstalls, der materiellen Welt um sie herum. Und da war etwas ganz und gar nicht in Ordnung mit dieser Welt. Teile davon fehlten. Da gab es Leute, die sich gleichgültig oder falsch verhielten. Neue Gefühle drängten sich auf, die kein Recht hatten, hier zu sein. Überhaupt kein Recht.
Der Geist war sich sicher, absolut sicher, dass etwas getan werden musste, um es aufzuhalten. Doch sie war nichts weiter als eine Erscheinung, und eine wahnsinnige noch dazu, die zwischen untot und tot schwebte. Was konnte sie tun? Wem konnte sie es sagen?
2
Alexia wird sich nicht werfen lassen
L ord Ambrose war ein außerordentlich gut aussehender Gentleman. Sein Gesicht zeigte stets eine Miene nachdenklichen Hochmuts, was durch seine adlerhaften Züge und seine grüblerischen dunklen Augen noch unterstrichen wurde. Alexias Meinung nach hatte dieser Vampir viel mit einem Mahagonischrank gemein, der einst Mrs Loontwills Urgroßvater gehört hatte und der nun in beschämter Strenge zwischen all dem Flitterkram des Boudoirs ihrer Mutter residierte. Das hieß, Lord Ambrose war nicht zu bewegen, unmöglich zu ertragen und zum Großteil mit Nichtigkeiten angefüllt, die mit dem äußeren Erscheinungsbild unvereinbar waren.
Langsam rückte Lady Maccon auf ihren Revolver zu, wobei es ihr nicht leichtfiel, sich in der geräumigen Kutsche zu bewegen, da ihre Aufmerksamkeit von dem Vampir in der Tür gefesselt und sie selbst von dem Kind in ihrem Bauch behindert wurde. »Fürchterlich dreist von der Countess, Sie zu schicken, Lord Ambrose, um diese Tat zu verüben.«
Lord Ambrose schob sich zu ihr hinein. »Nun, unsere subtileren Versuche sind bei Ihnen offenbar Verschwendung, Lady Maccon.«
Alexia nickte. »Das ist Subtilität für gewöhnlich immer.«
Lord Ambrose ignorierte es und fuhr mit seiner Erklärung fort. »Ich bin ihr praetoriani. Wenn man möchte, dass etwas
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