Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
zu viel! Einfach zu wunderbar!«
Sogar vor ihrer Heirat hatte Miss Ivy Hisselpennys sozialer Status sie daran gehindert, an hochrangigen Veranstaltungen teilzunehmen, während Miss Alexia Tarabotti unter dem Joch ebendieser Veranstaltungen gelitten hatte. Das führte dazu, dass Ivy nur Klatsch von sowohl schlechter Qualität als auch geringer Quantität zu hören bekam. Die Alexia ihrer Mädchenzeit war nicht neugierig auf die zwischenmenschlichen Dramen anderer gewesen, von ihrer Kleidung und ihrem Benehmen ganz zu schweigen.
Mrs Tunstell senkte das Taschentuch, und ihre Miene stellte auf einmal naive Durchtriebenheit zur Schau. »Gibt es da etwas Spezielles, was du erfahren möchtest?«
»Aber, Ivy!«
Kokett nippte Mrs Tunstell an ihrem Tee.
Lady Maccon wagte den Sprung ins kalte Wasser. »In der Tat gab es in letzter Zeit Gerüchte bezüglich einer Gefahr, die sich gegen ein gewisses Mitglied des Hochadels richten soll. Ich kann nicht mehr sagen, aber wenn es dir nichts ausmachen würde …«
»Nun, ich hörte, dass Lord Blingchesters Kutsche außer Betrieb genommen werden soll.«
»Nein, Ivy, nicht diese Art von Gefahr.«
»Und die zweite Kammerzofe der Duchess of Snodgrove war kürzlich so erbost, dass sie andeutete, ihrer Herrin den Hut für den Mittsommernachtsball nicht ordentlich feststecken zu wollen.«
»Nein, das auch nicht gerade. Aber das sind alles faszinierende Informationen. Ich würde deine Unterhaltung und Gesellschaft auch künftig sehr schätzen, selbst wenn deine Umstände weiter fortgeschritten sind.«
Mrs Tunstell schloss die Augen und sog leicht den Atem ein. »O Alexia, wie liebenswürdig von dir! Ich fürchtete schon …« Sie ließ einen Fächer aufklappen und fächelte sich in einem Überschwang der Rührung Luft zu. »Ich fürchtete schon, du würdest unsere Bekanntschaft nicht weiterführen wollen, sobald Tunny und ich dieses Unterfangen in Angriff nehmen. Schließlich beabsichtige ich, vielleicht selbst die eine oder andere kleine Rolle zu übernehmen. Tunny findet, in mir würde ein dramatisches Talent schlummern. Dabei gesehen zu werden, wie man Tee mit der Frau eines Schauspielers trinkt, ist eine Sache, aber Tee mit einer Schauspielerin selbst zu trinken ist noch einmal etwas anderes.«
Lady Maccon beugte sich vor, so weit sie konnte, und legte sanft die Hand auf die von Mrs Tunstell. »Ivy, das würde ich niemals auch nur in Betracht ziehen. Und jetzt lass uns nicht weiter über dieses Thema sprechen.«
Mrs Tunstell sah offenbar den Zeitpunkt gekommen, noch eine weitere relevante Neuigkeit zur Sprache zu bringen. »Tatsächlich habe ich dir noch etwas zu erzählen, meine liebe Alexia. Wie du vielleicht schon vermutest, musste ich meine berufliche Tätigkeit als Assistentin von Madame Lefoux aufgeben. Natürlich werde ich die Gesellschaft all dieser bezaubernden Hüte aufs Schrecklichste vermissen, aber erst vorgestern Abend war ich dort, als es zu einem recht eigenartigen Vorfall kam. In Anbetracht der Stellung deines Mannes dachte ich sofort an dich.«
»Wie überaus weitsichtig.« Lady Maccon hatte bereits festgestellt, und das sehr zu ihrem eigenen Erstaunen, dass Mrs Tunstell, eine Dame mit wenig Gesellschaft und noch weniger offensichtlichem Verstand, oftmals die erstaunlichsten Dinge zu berichten wusste. Da ihr klar war, dass die beste Ermutigung häufig darin bestand, gar nichts zu sagen, trank Alexia ihren Tee und bedachte Ivy mit einem interessierten Blick aus dunklen Augen.
»Nun, du wirst es mir nicht glauben, aber ich habe auf der Straße eine Erscheinung durchlaufen.«
»Du meinst wohl, du hast auf der Straße eine Erleuchtung erfahren.«
»O nein, du weißt, was ich meine. Ein Gespenst. Ich. Kannst du dir das vorstellen? Bin geradewegs hindurchgelaufen, als ich die Straße entlangging, tra-la-la, einfach so. Ich konnte es kaum fassen, war völlig fertig mit den Nerven. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, erkannte ich, dass das arme Ding seine Sinne nicht ganz beisammen hatte. Aber es gelang ihr, nach viel sinnlosem Geplapper wenigstens teilweise etwas Informatives zu artikulieren. Sie schien eigentümlicherweise von meinem Sonnenschirm angezogen, den ich an diesem Abend bei mir trug, weil meine Geschäfte bei Madame Lefoux länger gedauert hatten als erwartet. Ansonsten habe ich deine Angewohnheit, zu jeder möglichen Uhrzeit Accessoires bei dir zu tragen, die eigentlich den Tagesstunden vorbehalten sind, schon immer für höchst mysteriös
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