Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
möglich –, dann sollten Sie die Musik wechseln.«
»Sehr wohl, Mylady.«
Lady Maccon fand sehr wenig Schlaf an diesem Tag, wofür zum einen die körperlichen Nachwirkungen von zu viel Tee und zum anderen ein unerwarteter Besuch von Ivy Tunstell am frühen Nachmittag verantwortlich waren. Floote weckte sie mit einer sanften Berührung, einer aufrichtigen Entschuldigung und der zutiefst beunruhigenden Information, dass Miss Loontwill es auf sich genommen hatte, Mrs Tunstell im vorderen Salon zu empfangen. Sie erwarteten das Vergnügen von Lady Maccons Gesellschaft. Halb fallend, halb rollend quälte sich Alexia aus dem Bett und überließ ihren armen Ehemann, der aufgrund ihrer inzwischen chronischen Ruhelosigkeit ebenfalls wenig Schlaf fand, seinem Schlummer.
Da es helllichter Tag war, befand sich Biffy immer noch im Bett, deshalb musste sie Floote bitten, ihr beim Zuknöpfen ihres Kleides behilflich zu sein. Der Butler erbleichte vor Entsetzen über die bloße Vorstellung und machte sich sofort auf, eine von Lord Akeldamas Drohnen dafür einzuspannen. Boots erbot sich, diese unangenehme Aufgabe zu übernehmen. Lady Maccon begriff allmählich, dass Boots stets gewillt war, alles zu tun, worum sie ihn bat.
Anschließend balancierte sie mit Flootes Hilfe über die kurze Planke zwischen den beiden Balkonen.
Im Erdgeschoss traf sie Felicity an, die wieder eher wie sie selbst aussah. In der Annahme, es bestünden keine Einwände dagegen, dass sie ihren dauerhaften Wohnsitz im Haus ihrer Schwester bezog, hatte sie am Morgen nach ihren Sachen schicken lassen. Sie trug ein modern geschnittenes Kleid mit einem hemdblusenartig geschnittenen Oberteil aus türkisfarbenem, mit Spitze verziertem Satin, ergänzt von passenden türkisen Rosetten auf einem Rock aus weißem Musselin. Eine bescheidene schwarze Schleife war a la cravate um ihren Hals gebunden, und schwarze Borten lugten zwischen den Volants der Ärmel und aus der Mitte der Rosetten hervor. Das Kleid war neu, teuer und sehr modisch.
Mrs Ivy Tunstell trug im Gegensatz dazu ein Besuchskleid aus dem vorletzten Jahr, dessen Tournüre ein bisschen zu üppig und dessen Muster ein wenig zu kräftig war. Da die bedauernswerte Ivy einen gewöhnlichen Theaterschauspieler geheiratet hatte, musste sie ihre bestehenden Kleider umändern lassen, anstatt neue in Auftrag geben zu können.
Allerdings schien sie sich daran ausnahmsweise nicht zu stören, sondern ertrug Felicitys Unterhaltung, die bei diesem Kleid mit zu großer Tournüre sicherlich mit spitzen Bemerkungen gespickt war, und zeigte dabei eine gelassene Haltung und eine für sie untypische Geistesgegenwart. Entweder begriff Ivy nicht, dass sie gerade beleidigt wurde, oder ihre Gedanken waren mit einer interessanteren Angelegenheit beschäftigt.
Lady Maccon holte tief Luft und betrat den Salon.
»Oh, Schwester, du hältst dich in deinem Haushalt aber an ungewöhnliche Tageszeiten«, meinte Felicity, die sie zuerst bemerkte.
Ivy sprang auf die Füße und trippelte herbei, um Alexia kleine Küsschen auf die Wangen zu hauchen. Das war eine abstoßend kontinentale Sitte, die sie sich seit ihrer Hochzeit angeeignet hatte. Lady Maccon gab dafür dem übermäßigen Kontakt mit der Theaterbühne die Schuld oder möglicherweise ihrer Anstellung in Madame Lefoux’ Hutladen, wo die französische Neigung zu vertraulichem Verhalten über die Grenzen der Schicklichkeit führte, insbesondere zwischen den Damen.
»Meine liebste Ivy, wie geht es dir? Was für ein unerwarteter Besuch!«
»O Alexia, wie absolut vortrefflich von dir, zu Hause zu sein. Ich hatte solche Angst«, Mrs Tunstell senkte dramatisch die Stimme, »dass du dich bereits im Wochenbett befindest. Dein Umfang ist beängstigend weit fortgeschritten. Ich störe doch hoffentlich nicht, oder? Nein, denn dann wärst du im Bett. Selbst du würdest zu solch einem Zeitpunkt keine Besuche mehr empfangen. Trinkst du auch genug Tee? Sehr förderlich für Damen in deinem Zustand, Tee.«
Lady Maccon nahm sich einen Augenblick Zeit, bis der Schwall von Mrs Tunstells Geplapper über sie hinweggebrandet war, ungefähr so, wie Pusteblumensamen vom Wind der Belanglosigkeit fortgetragen werden. »Ich bitte dich, mach dir meinetwegen keine Sorgen, Ivy. Wie du siehst, bin ich noch nicht bettlägerig. Obwohl ich zugeben muss, dass es in letzter Zeit ein wenig schwierig wird, in Bewegung zu kommen. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich dich habe warten lassen.«
»Oh, ich bitte
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