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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Männer und Frauen in London ein jamaikanisches Provinzidiom anzunehmen, das ganz offen gesagt überhaupt nicht zu ihnen paßte. Wie wir alle wünschten, wir kämen aus den Wohnbauprojekten Chicagos, den Ghettos von Kingston oder den heruntergekommenen Straßen von Nordlondon oder Glasgow! All die Punkrocker mit Privatschulausbildung, die ihre Hs nicht aussprechen und die Vokale verhunzen! All die Mädchen aus Hampshire mit Großeltern in Liverpool oder Birmingham! All die Pogues-Fans aus Hertfordshire, die irische Protestsongs singen! All die Europhilen, die dir erklären, daß ihre Gefühle in Rom beheimatet sind, auch wenn ihre Mütter in Reigate wohnen!
      Seit ich alt genug bin, um zu verstehen, was es heißt, aus den Vororten zu stammen, habe ich mir immer eine andere Herkunft gewünscht, vorzugsweise aus Nordlondon. Ich habe immer so viele Hs wie möglich ausgelassen – die einzigen, die in meiner Aussprache noch übrig sind, haben sich zu tief in bestimmte Wörter eingegraben, um noch ausgemerzt zu werden –, und ich verbinde so oft wie möglich ein Subjekt im Singular mit einem Verb, das in einer Person im Plural steht. Das war ein Prozeß, der kurz nach meinem ersten Besuch in Highbury begann, sich durch meine Gymnasiallaufbahn in der Vorstadt fortsetzte und auf alarmierende Weise eskalierte, als ich an die Universität kam. Meine Schwester dagegen, die ebenfalls Probleme mit ihren vorstädtischen Wurzeln hat, ging auf dem College in die andere Richtung und fing plötzlich an, wie die Herzogin von Devonshire zu sprechen, und wenn wir uns dem jeweiligen Freundeskreis des anderen vorstellten, fand dieser die Erfahrung aufs äußerste verwirrend. Wer von uns, schien man sich zu fragen, war das Adoptivkind?
      War sie in schwere Zeiten geraten oder hatte ich Dusel gehabt? Unsere Mutter, die in Südostlondon geboren und aufgewachsen ist, aber beinahe vierzig Jahre in den Home Counties gelebt hat, trifft mit ihrem Akzent hübsch die goldene Mitte.
    In gewisser Weise kann man keinem von uns, keinem der vorgetäuschten Cockneys und simulierten Iren, den MöchtegernSchwarzen und Pseudo-Sloane-Rangern, die Schuld zuschieben. Das Ausbildungsgesetz von 1944, die erste Labour-Regierung, Elvis, Beatniks, die Beatles und die Stones … wir hatten niemals eine Chance. Ich gebe dem Konzept der Eleven-Plus die Schuld. Vor dem Krieg hätten unsere Eltern vielleicht das Geld zusammenkratzen können, um uns auf unbedeutendere Privatschulen zu schicken, und wir hätten unsere scheißarmselige, klassische Knickerausbildung aus dritter Hand verpaßt bekom men und wären in einer Bank zur Arbeit gegangen. Die ElevenPlus, die dazu bestimmt war, eine Leistungsgesellschaft zu schaffen, machte die staatlichen Schulen für nette Familien wieder sicher. Nachkriegsgymnasiasten und -gymnasiastinnen betraten einen luftleeren Raum, keine der verfügbaren Kulturen schien zu uns zu gehören, und wir mußten uns schnell eine klauen. Und was ist vorstädtische englische Nachkriegskultur der Mittelschicht überhaupt? Jeffrey Archer und EVITA, Flanders und Swann und die Goons, Adrian Mole und Merchant-Ivory, FRANCIS DURBRIDGE PRESENTS … und John Cleeses Silly Walk. Es ist kein Wunder, daß wir alle Muddy Waters oder Charlie George sein wollten.
      Die Begegnung Reading gegen Arsenal in der vierten Pokalrunde 1972 war die erste und zugleich schmerzlichste der vielen Bloßstellungen, die folgen sollten. Reading war meine nahegelegenste Ligamannschaft, ein unglückseliger, geographischer Unfall, den ich liebend gern ungeschehen gemacht hätte.
      Highbury war etwas über dreißig Meilen weit weg, Elm Park gerade mal acht. Die Fans von Reading hatten einen BerkshireAkzent und unglaublicherweise schien sie das nicht zu stören, sie versuchten nicht einmal, wie Londoner zu sprechen. Ich stand bei den heimischen Anhängern – bei dem Spiel blieben die Tageskassen geschlossen, und es war viel einfacher, die Karte in Reading statt in Nordlondon zu besorgen –, und während ich meine noch immer üblichen neunzig Minuten auf den Spielbeginn wartete, verstrickte mich eine ganze Familie (eine Familie!), Mutter, Vater und Sohn, alle mit blau-weißen Schals und Bandschleifen (Bandschleifen!) ausstaffiert, in eine Unterhaltung.
    Sie stellten mir Fragen über mein Team und das Stadion, machten Witze – Bauern! – über Charlie Georges Haare, boten mir Kekse an, liehen mir ihr Programm und ihre Zeitungen. Mir begann die Unterhaltung Spaß zu machen.

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