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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Intervallen zerschmettert –, was das Lesen erschwerte. Trotzdem nahm ich immer, immer ein Buch mit und verbrachte Ewigkeiten damit, diejenigen Waggons zu finden, in denen sich Männer mittleren Alters aufhielten, die kein Interesse daran hatten, die Aufmerksamkeit der Schäferhunde auf sich zu lenken.
    An unserem Zielort wurden wir von mehreren Hundertschaf
    ten Polizei empfangen, die uns auf einem Umweg vom Stadtzentrum zum Stadion eskortierten. Während dieser Wanderungen ließ ich meinen Hooliganphantasien freien Lauf. Ich befand mich in vollständiger Sicherheit, beschützt nicht nur durch das Gesetz, sondern auch durch meine Mitanhänger, und war daher frei, in meiner vom Stimmbruch noch immer unberührten Stimme bei den Drohgesängen der anderen mitzugrölen. In Wahrheit sah ich nicht furchtbar hart aus. Ich war noch nicht einmal annähernd so groß, wie ich hätte sein müssen, und trug eine schwarzgerahmte Kassenlesebrille im Intelligenzlerstil, die ich allerdings für die Dauer der Marschstrecken verbarg, vermutlich, um wenigstens einen winzigen Tick furchterregender zu erscheinen. Diejenigen aber, die über den Identitätsverlust, den Fußballfans erdulden müssen, grummeln, liegen daneben. Dieser Identitätsverlust kann ein auf paradoxe Weise bereichernder Vorgang sein. Wer will schon die ganze Zeit an seinem eigenen Selbst festkleben? Ich zum Beispiel wollte gelegentlich mal eine Auszeit und keine Vorstadtbrillenschlange mit Segelohren sein. Ich liebte es, in der Lage zu sein, den Einkäufern in Derby, Norwich oder Southampton Angst zu machen (und sie hatten Angst – das war zu sehen). Meine Gelegenheiten, Leute einzuschüchtern, waren bis dahin begrenzt gewesen, und ich wußte, daß nicht ich es war, der die Leute eilig mit ihren Kindern im Schlepptau die Straßenseite wechseln ließ. Es waren wir, und ich war ein Teil von uns, ein Organ im Hooligankörper. Die Tatsache, daß ich der Blinddarm war – klein, nutzlos, gut versteckt irgendwo in der Mitte –, spielte nicht die geringste Rolle.
      Während der Gang zum Stadion voller Ruhm und roher Kraft steckte, waren das Rumstehen im Stadion und der Rückweg zum Bahnhof weniger erbaulich. Gewalttätigkeiten im Innenraum der Stadien sind mittlerweile nahezu vollständig verschwunden, wofür es eine Vielzahl von Gründen gibt. Fans werden ordentlich getrennt (damals konnte man einfach durch die Drehkreuze gehen, wenn man sich gute Chancen im gegnerischen Block ausrechnete), Gästefans werden nach den Spielen für gewöhnlich zurückgehalten, bis das Stadion geräumt worden ist, die Vorgehensweise der Polizei ist sehr viel ausgeklügelter und so weiter. Wie dem auch sei, in der ersten Hälfte der Siebziger gab es bei jedem Arsenalspiel, dem ich beiwohnte, einen Kampf. In Highbury fanden sie zumeist im Clock End statt, wo die Fans des Gegners stehen. Normalerweise waren es kurze Wirbel, Arsenalfans stürmten in den Feind hinein, der Feind stob auseinander, die Polizei übernahm die Kontrolle. Es waren ritualisierte Sturmangriffe, bei denen die Gewalttätigkeit normalerweise eher in der Bewegung selbst als in Faustschlägen und Fußtritten bestand (es war dieses »Rennen«, das die HeyselTragödie auslöste, und nicht so sehr irgendein wirklich physischer Angriff). Aber gelegentlich, besonders gegen West Ham, Tottenham, Chelsea oder Manchester United, brach der Ärger mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auf der Nordtribüne wie sonst im Clock End aus. Wenn die Gästefans sich in ausreichender Menge zusammenscharen konnten, versuchten sie das Territorium der Heimfans zu erobern, als ob es eine Insel von großer strategischer Bedeutung sei.
    Es war auch nicht gerade ungefährlich, Fußballspiele im fremden Stadion zu verfolgen. In dem Abschnitt zu stehen, der für die Gäste »reserviert« war, garantierte keinen Schutz, genaugenommen informierte es die Gegner lediglich über deine Identität. Am anderen Ende zu stehen, war entweder gefährlich (wenn die Arsenalfans vorhatten, in die Heimblöcke einzufallen) oder sinnlos – warum die Mühe auf sich nehmen, durch das ganze Land zu reisen, wenn man dann so tun mußte, als ob man den Gegner unterstützte? Ich entschied mich, wenn möglich, für einen Platz an den Seiten, wo es ruhig war, und wenn das nicht ging, dann für einen im Gästeblock, aber in Richtung der Ecken, so weit wie möglich von den etwas wilderen Mitgliedern des Arsenalreisetrupps entfernt. Ich genoß Auswärtsspiele allerdings nie. Ich war

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